Der jüngste Bericht der Polizei-Sonderermittlerin Nuala
O'Loan kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn die
Untersuchung der 58-jährigen Ombudsfrau über die
Zusammenarbeit zwischen der nordirischen Polizei, der PSNI ("Police
Service of Northern Ireland"), und führenden Paramilitärs
warfen erneut Schatten auf die derzeitigen politischen
Gespräche unter der Federführung von Premierminister Tony
Blair und seinem irischen Amtskollegen Bertie Ahern.
O'Loans Untersuchung belegt, dass Mitglieder der probritischen
loyalistischen Terrorgruppe "Ulster Volunteer Force" in den
90er-Jahren allein in Nordbelfast mindes-tens 15 Menschen ermordet
und unzählige Straftaten begangen haben, ohne dass ihnen
ernsthaft eine Strafverfolgung drohte. "Nicht ohne das Wissen und
die Unterstützung der nordirischen Polizei, auch in den
höchsten Rängen", betonte O'Loan Ende Januar vor der
Presse. Seit 1969 wurden mehr als 3.600 Menschen in dem Konflikt
zwischen extremistischen Nationalisten und Loyalisten ermordet.
Unzählige Morde wurden bis heute nicht aufgeklärt.
Im Zuge des Karfreitagsabkommens von 1998 wurde die RUC
("Royal Ulster Constabulary"), die hauptsächlich Protestanten
beschäftigte, umstrukturiert in die heutige "Police Service of
Northern Ireland", um Katholiken und Protestanten gleichrangig zu
behandeln. Doch ein Großteil der katholischen
Bevölkerung misstraut der Polizeibehörde bis heute. Die
republikanisch-nationalistische Partei Sinn Féin lehnte
bislang die umstrittene Polizeireform, deren Akzeptanz die
Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung ist, ab.
Auch nordirische Medien hatten immer wieder über diese
Netzwerke berichtet; einen Reporter der "Sunday World" aus Belfast
kostete es das Leben. Der 51-jährige Martin O'Hagan wurde vor
sechs Jahren von einer loyalistischen Untergruppe, der "Red Hand
Defenders", erschossen. Bis heute sind die Täter nicht
gefasst, obwohl die Namen bekannt sind. Auch dieser Fall liegt nun
Nuala O'Loan vor.
Im Oktober 2002 war das nordirische Regionalparlament nach
einem Spionageskandal suspendiert worden, seither wird Nordirland
direkt von London aus verwaltet.
Ein Jahr später gingen Gerry Adams Partei, die Sinn
Féin, und die protestantische Partei DUP ("Democratic
Unionist Party") des Pfarrers Ian Paisley als Wahlsieger aus den
Regionalparlamentswahlen hervor - eine Einigung über eine
gemeinsame Nordirlandregierung gab es nicht. Die irische und
britische Regierung hatten danach einen neuen Zeitplan für
Nordirland aufgestellt.
Auf dem Sonderparteitag der Sinn Féin am 27. Januar in
Dublin wurde nun eine historische Entscheidung getroffen. Die
Parteimitglieder sprachen sich mit überwältigender
Mehrheit für eine Anerkennung der nordirischen
Polizeibehörde und Justiz aus. Damit macht Sinn Fein den Weg
für eine gemeinsame Regierung mit der DUP frei. Jetzt liegt es
an Ian Paisley und seiner Partei, die Vorbehalte gegen eine
Zusammenarbeit mit Sinn Fein auszuräumen. Die Neuwahlen zum
nordirischen Parlament sollen am 7. März stattfinden, am 26.
März könnte die gemeinsame Regierung von Sinn Fein und
der DUP ihre Arbeit aufnehmen.