Im Europaparlament wurden vergangene Woche die Karten neu
gemischt: Die Vorsitzenden der Ausschüsse und ihre
Stellvertreter müssen zur Halbzeit der Legislaturperiode neu
gewählt werden. Die Europäische Volkspartei (EVP) besetzt
nun neun Ausschussvorsitze, den Sozialisten (SPE) fallen sieben,
Grünen und Linkspartei je ein Posten zu - entsprechend der
Franktionsstärke.
Da Hans-Gert Pöttering (CDU) Mitte Januar den Sozialisten
Josep Borrell als Parlamentspräsidenten abgelöst hatte,
drehte sich vor allem bei den Konservativen das Personalkarussell.
Den Fraktionsvorsitz bei der EVP übernahm an seiner Stelle der
Franzose Joseph Daul. Die polnischen Abgeordneten in der EVP
fühlten sich zurückgesetzt, weil sie weder einen
Vizepräsidenten noch einen anderen Prestige-Posten
abbekamen.
Darauf meldeten sie Anspruch auf den zwar machtlosen, aber
öffentlichkeitswirksamen Auswärtigen Ausschuss an. Dem
sitzt seit acht Jahren Elmar Brok vor, der diesen Pos-ten
keinesfalls räumen wollte. Auch sein Herausforderer Jacek
Saryusz-Wolski kann auf viel europapolitische Erfahrung verweisen.
Er studierte Anfang der 70er Jahre in Frankreich, leitete das
Zentrum für europäische Studien an der Universität
Lodz und war zwei Mal Europaminister. Seine Partei
"Bürgerplattform" gehört auf europäischer Ebene zur
konservativen Großfamilie, sitzt aber in Polen in der
Opposition.
Als bekannt wurde, dass Angela Merkel persönlich bei
Donald Tusk, dem Vorsitzenden der Bürgerplattform darauf
gedrängt hatte, dass Saryusz-Wolski seine Kandidatur
zurückzieht, wirbelte der Vorgang in Warschau viel Staub auf.
Die polnische Außenministerin Anna Fotyga meldete sich mit
dem Hinweis zu Wort, Deutschland stelle den Präsidenten des
EU-Parlaments und habe damit genug Einfluss.
Am Ende räumte Elmar Brok seinen Sessel. Auch Karl-Heinz
Florenz musste den Vorsitz im Umweltausschuss aufgeben. Sein
Nachfolger wurde der Tscheche Miroslaw Ouzky, der wie
Saryusz-Wolski bei der Wahl zum Vizepräsidenten unterlegen
war. Durch umweltpolitische Beiträge sei der Kollege bislang
eher weniger aufgefallen, ätzten Ausschussmitglieder, die den
engagierten und erfahrenen Florenz lieber behalten hätten.
Ouzky zog 2003 als Beobachter ins EU-Parlament ein. Zuvor war der
gelernte Chirurg als Parlamentsabgeordneter in Prag auf
Gesundheitsfragen spezialisiert.
Wesentlich ruhiger ging das Stühlerücken bei den
Sozialisten vonstatten. Josep Borrell beerbt eine Abgeordnete der
Linkspartei und wird Vorsitzender des Entwicklungsausschusses. Im
Tausch erben die Linken den Ausschuss für Internationalen
Handel von den Sozialisten. Neuer Vorsitzender wird Helmuth Markov.
In den anderen Ausschüssen unter sozialistischem Vorsitz gibt
es nur geringfügige Änderungen. Jo Leinen bleibt Chef des
Verfassungsausschusses.
Einig waren sich die Mitglieder der demokratischen Fraktionen
darin, den Rechtsextremen den Weg zu den ihnen rechnerisch
zustehenden zwei Vizepräsidenten-Posten zu versperren.
Tagelang wurde in den Fraktionen debattiert, wie das zu erreichen
wäre. Zunächst wurde überlegt, die Sitze im Kultur-
und Verkehrsausschuss unbesetzt zu lassen. Da meldete aber der
juristische Dienst des Hauses Bedenken an. Deshalb einigte sich am
Ende eine Mehrheit darauf, Gegenkandidaten in den beiden
Ausschüssen aufzustellen. Damit wurde allerdings ein
Präzedenzfall geschaffen, den vor allem die beiden
großen Parteien, die Konservativen und die Sozialisten,
lieber vermieden hätten. Bislang wurden alle Posten vorab
entsprechend der Fraktionsgröße ausgehandelt. Da nun
erstmals in zwei Ausschüssen nach demokratischen Spielregeln
abgestimmt wurde, könnten die Abgeordneten der kleineren
Fraktionen vielleicht auf die Idee kommen, es künftig
öfter so zu halten.
Gemütlichkeit ade Dann wäre der gemütliche
Postenschacher hinter den Kulissen, bei dem EVP und Sozialisten
bislang die besten Plätze unter sich aufteilten, vorbei.
Für den grünen Abgeordneten Michael Cramer war von Anfang
an klar: Egal wie die Debatte ausgeht - der Italiener Luca Romanoli
wird seine Stimme als Vizepräsident des Verkehrsausschusses
nicht bekommen. Am Ende stimmten sechs Abgeordnete für
Romanoli, obwohl dessen Fraktion "Identität, Tradition,
Souveränität" nur zwei Vertreter im Verkehrsausschuss
hat. Für die Gegenkandidatin, die rumänische Sozialistin,
Silvia-Adriana Ticau, stimmten 35 Parlamentarier.
Im Kulturausschuss hatte Martine Le Pen, die Tochter des
französischen Rechtsaußen Jean-Marie Le Pen, ihre
Kandidatur im letzten Moment zurückgezogen. Die rechtsextreme
Fraktion präsentierte stattdessen die 72-jährige
rumänische Professorin Viorica-Pompilia-Georgeta Moisuc,
für die man sich wohl mehr Zustimmung im erhoffte. Doch sie
erhielt nur vier Stimmen - zwei davon stammten nicht aus der
eigenen Fraktion.
Die deutschen Konservativen können insgesamt mit der
Ausbeute zufrieden sein. Reimer Böge, der sich bei den
Verhandlungen mit Rat und Kommission über die Finanzplanung
2007 bis 2013 einen Namen gemacht hatte, wird Vorsitzender des
Haushaltsausschusses. Seine Fraktionskollegin Angelika Niebler
leitet künftig den Ausschuss für Industrie, Forschung und
Energie. Karl von Wogau bleibt Chef des
Verteidigungsausschusses.
Weitere Informationen unter: www.europarl.europa.eu