Hans-Dieter Hüsch, die vor einem Jahr verstorbene
Kabarett-Ikone, hat einmal gesagt, nur die Kleinkunst könne
jedem einzelnen Zuschauer das Gefühl vermitteln, dem
Vortragenden quasi auf dem Schoß zu sitzen. Es gibt kaum eine
Bühne, vor der sich dieses Gefühl besser herstellen
lässt, als die der Münchner Lach- und
Schießgesellschaft. Gerade mal 130 Personen passen in den
"Laden", wie die Kabarettinstitution flapsig wie ehrfürchtig
von Akteuren und Publikum genannt wird.
"Denn sie müssen nicht, was sie tun", so lautete das
Premierenprogramm der "Lach und Schießer" am 12. Dezember
1956. "Unser Haus liegt an der Münchner Freiheit, doch bis zur
Freiheit ist es noch weit", tönten vor einem halben
Jahrhundert im Chor Dieter Hildebrandt, Ursula Herking, Klaus
Havenstein und Hans-Jürgen Diedrich. Damit war die
Programmatik für die nächsten Jahrzehnte angedeutet: die
engagierte und kabarettistisch-bissige Begleitung einer sich
entwickelnden Demokratie. Seit das erste Ensemble unter der Regie
des legendären Sammy Drechsel auf die "Brettl" gestiegen war,
hat sich viel verändert, sowohl an den politischen und
gesellschaftlichen Verhältnissen der Republik als auch bei der
Lach- und Schießgesellschaft.
In "Verlängert" lässt der Herausgeber Til Hofmann,
seit 2001 Chef des Schwabinger Ensembles, die wechselvolle
Geschichte der Lach- und Schießgesellschaft Revue passieren.
Herausgekommen ist dabei auch eine spannende wie unterhaltsame
Rückschau auf die Geschichte der Bundesrepublik, von der
Wiederbewaffnung bis zum Fall der Mauer. Das Buch erzählt in
fünf Kapiteln fünf Jahrzehnte Kabarett und Satire, von
Höhen und Tiefen, von Zwist und Zusammenhalt der Schwabinger
Truppe, von 45 Programmen, von ungezählten Tourneen und
Fernsehauftritten. Zu Wort kommen auch einige Wegbegleiter selbst,
und so manch prominenter Zeitgenosse findet lobende Worte für
die "Lach- und Schieß".
Aushängeschilder Ihre Glanzzeit erlebte die Truppe in den
50er- und 60er-Jahren, im Nachkriegsdeutschland avancierten die
Schwabinger zu einer nationalen Institution. Unvergessen sind
Programme wie "Warten auf Niveau, Überleben Sie mal" und "Halt
die Presse" sowie das Duo Diedrich/Hildebrandt mit ihren
"Knaller-Nummern". Sie waren das Aushängeschild der Truppe.
1972 löste sich die Bühne auf, es war einfach die Luft
raus, man wollte mal was anderes machen, so Hildebrandt. 1976 ging
es dann in neuen Ensembles unter altem Namen weiter.
Die Liste der Akteure um Sammy Drechsel und Karl Heinz
Schreiner, der ununterbrochen und unermüdlich von 1956 bis
2001 für die "Lach- und Schieß" textete, liest sich wie
das "Who`s who" der deutschsprachigen Kleinkunstszene: Achim
Strietzel, Ursula Noak, Jürgen Scheller, Rainer Basedow, Kurt
Weinzierl, Werner Schneyder, Bruno Jonas, Jochen Busse, Astrid
Jacob, Henning Venske sowie die Dauergäste Gerhard Polt,
Konstantin Wecker und Josef Hader - wer was werden wollte, musste
nach München.
Sie alle begleiteten scharfsinnig und spitzzüngig die
politischen Skandale und Krisen der Republik. Sie sorgten
unterdessen auch für unzählige Anekdoten, von denen der
reich bebilderte Band zu berichten weiß. So erfährt der
Leser, warum Dieter Hildebrandt ein ausverkauftes Haus immer
Schuldgefühle einjagt oder wie es zur ZDF-Sendung "Politiker
fragen - Kabarettisten antworten" kam.
Zwar haben sich die Kabarett-Zeiten geändert. Politische
Satire und Gesellschaftskritik, das traditionelle Kabarett
überhaupt, werden immer mehr vereinnahmt von trendiger Comedy
und Slapstick. Credo und Anspruch der legendären Truppe aus
Bayern sind jedoch unverändert.
Till Hofmann (Hg.): Verlängert.
Die Geschichte der Münchner Lach- und
Schießgesellschaft
Blessing-Verlag, München 2006;
288 S., 24,95 €