Die Nachrichten der vergangenen Wochen aus dem Irak waren
typisch. Die US-Armee hat nach eigenen Angaben bei Nadschaf 250
Aufständische auf einmal getötet. Der ehemalige Diktator
Saddam Hussein wurde erhängt. Blut, Leichen, Krieg - andere
Nachrichten aus dem Land an Euphrat und Tigris dringen nicht bis
nach Deutschland vor.
Susanne Fischer hat in den vergangenen Jahren den Krieg vor
Ort erlebt. Als Reporterin für deutsche Zeitungen und
Zeitschriften hat sie seit 2003 aus Bagdad berichtet. Auch sie
könnte also von Attentaten erzählen oder von der
großen Politik. Ihr Buch "Meine Frauen-WG im Irak oder Die
Villa am Rande des Wahnsinns" beschreibt aber ihre Erfahrungen als
Ausbilderin irakischer Journalisten für das "Institut for War
and Peace Reporting" seit 2005 im kurdischen Nordirak; weitgehend
abseits von Bomben und Entführungen.
Sehr persönlich schildert sie ihre Erlebnisse als
ausländische Frau in einer Gesellschaft, in der Ausländer
selten sind und Frauen an den Herd gehören. Der Wahnsinn, den
sie im Untertitel des Buches anspricht, bezieht sich zuallererst
auf die Situation in ihrer Wohnung. Mit wildfremden Kolleginnen aus
den USA, Korea und Australien teilt sie ein Bad, ein Wohnzimmer und
eine Küche. Später ziehen zwei irakische Mitarbeiter
dazu. Alle haben unterschiedliche Temperamente und glauben an einen
anderen Gott. Es ist ein buntes Gemisch von jüdischen,
muslimischen und ehemals christlichen Menschen. Zwar fallen keine
Bomben, aber vor der Tür stehen Wächter zum Schutz der
ungewöhnlichen Wohngemeinschaft. Auch der Unterricht ist nicht
so wie an einer Journalistenschule in Deutschland. Die Schüler
diskutieren die Frage, ob ein Reporter einen Verletzten nach einer
Demonstration sofort fotografieren oder ihm erlauben soll, sich
vorher das Blut abzuwischen.
Andere Länder, andere Sitten Fischers Buch macht
deutlich, wie schwierig es ist, sich auf engem Raum mit Menschen
anderer Kulturen zu verständigen. Sie erzählt viel von
ihren eigenen Bedenken und den Auseinandersetzungen in der WG, bis
hin zu der Trennung von ihrem Freund und der Beziehung zu einem
Iraker. Immer wieder stellt sie sich die Frage, wie stark sie sich
an die heimischen Sitten anpassen soll, ohne ihre eigene Kultur zu
verraten. Unangenehm sei es ihr, ständig merkwürdig
angesehen zu werden, wenn sie abends allein oder mit ihren
Kolleginnen ausgeht. Auch die Beziehung zu ihrem kurdischen Freund
ist nicht ihre Privatsache. Am Anfang hat sie Bedenken, ihre
arabischen Schüler könnten sie deswegen ablehnen. Eine
Freundschaft zu ihren Schülerinnen aufzubauen, gestaltet sich
schwierig. Eine habe einen gemeinsamen Nachmittag im Freibad mit
der Begründung abgelehnt, Kurdinnen schwämmen nicht im
Freien. Trotzdem hofft Fischer, den Frauen eine Idee mitzugeben,
wie ein Leben anders funktionieren kann. Wie zerbrechlich das
friedliche Miteinander von westlichen Journalistinnen und
irakischen Mitarbeitern auch innerhalb einer scheinbar
freundschaftlichen Wohngemeinschaft ist, zeigt sich, als einer
ihrer muslimischen Mitbewohner, der schon lange für Westler
arbeitet, plötzlich alle Westler als gottlos beschimpft und
wütend auszieht. Auch Fischer versteht viele Eigenarten nicht,
scheitert mitunter an den Sprachbarrieren.
Vom Unterricht für die Journalisten erfährt der
Leser nur wenig. Das ist schade, denn die Geschichten der
irakischen Teilnehmer und die Probleme, die sich beim Miteinander
von Schiiten, Sunniten und Kurden vermutlich auftaten, wären
sicher interessant gewesen. Trotzdem ist es ein ungewöhnliches
und unterhaltsames Buch, ein Lehrstück in punkto
Völkerver- ständigung.
Susanne Fischer:
Meine Frauen-WG im Irak oder Die Villa am
Rande des Wahnsinns
Malik,
München 2006;
249 S., 17,90 €