Was hat uns die Berliner Erklärung gebracht? Wird sie den Verfassungsprozess anschieben?
Sie hat eine Basis gesetzt, dadurch dass die drei EU-Institutionen und die Staats- und Regierungschefs inhaltliche Verpflichtungen eingegangen sind. Aber es ist auch in aller Öffentlichkeit deutlich geworden, dass diese EU in Sachen Frieden, Freiheit und Wohlstand eine unglaubliche Erfolgsstory ist. Gleichzeitig sehen wir, dass wir große Herausforderungen haben, die wir als Nationalstaaten nicht mehr bewältigen können.
Bei der Berliner Erklärung hat sich erneut gezeigt, dass es nicht einfach ist, alle mit ins Boot zu bekommen. Wie können aus Verfassungskritikern wie Polen Verfassungsfreunde werden?
Natürlich ist das schwierig. Aber wir haben einen Text, einen Verfassungsvertrag, den bereits 18 EU-Länder ratifiziert haben. Das wird die Basis sein. Man muss nicht von vorne anfangen. Allen muss bewusst sein, dass Solidarität keine Einbahnstrasse ist, sondern dass man auch Kompromisse eingehen muss.
Bei der Berliner Erklärung waren in erster Linie Diplomaten am Werk. Gibt es bei dem Verfassungsvertrag noch eine Chance, dass die Bürger sich einbringen?
Der Verfassungsentwurf muss als Grundlage bleiben. Er ist im Wesentlichen in einem Konvent von Parlamentariern erarbeitet worden. In einem Prozess, in dem die Zivilgesellschaft die Chance hatte, beteiligt zu sein. Wenn das von Anfang an neu geöffnet werden sollte, dann müssten wir einen neuen Verfassungskonvent haben. Und ich glaube nicht, dass die Regierungen das wollen.
Am Ende der Diskussion um einen Verfassungsvertrag steht die Frage, wie die EU der Zukunft aussieht. Wie sehen Ihre Visionen aus?
Ich kann keine endgültige Zielvorstellung geben, denn die EU ist eine fortlaufende Schöpfung. Man einigt sich auf das, was in einer historischen Sekunde möglich ist. Diese Europäische Union sollte sich aber auf das konzentrieren, was wir gemeinsam besser machen können. Und sie sollte deutlich machen, dass wir nicht jedes Detail von Brüssel aus regeln müssen.
Welche Rolle will das Europaparlament bis zum Gipfel im Juni spielen, auf dem Angela Merkel einen Fahrplan für die Verfassung vorlegen will?
Das Parlament wird Wächter über die Substanz des Verfassungsvertrags sein. Wir werden die Berliner Erklärung nutzen, stützen, aus ihr heraus argumentieren und in diesem Sinne die deutsche Ratspräsidentschaft unterstützen. Wir müssen in unseren Heimatländern tätig sein, aber auch mit Parlamentariern in anderen Ländern sprechen, um aus dem Geiste des EU-Parlamentes heraus die Botschaften der Berliner Erklärung zu vermitteln.
Die Fragen stellte
Daniela Schröder