Simbabwe
Grassierende Armut, politischer Protest, wirtschaftlicher Verfall, internationale Isolation - nichts hat den Diktator Mugabe bislang schwächen können
Die simbabwische Vizepräsidentin Joyce Mujuru ist eine starke Frau. Der 49-Jährigen könnte gelingen, woran eine riesige Oppositionsbewegung, eine ins Elend gestürzte Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft bislang gescheitert sind: das politische Ende des Präsidenten Robert Mugabe - per Rücktritt oder durch die Verhinderung seiner Pläne, nach 2008 weiterzumachen. "Mit Mugabe würde nicht nur ein Diktator verschwinden, sondern auch eine ganze Reihe unserer immensen Probleme", sagt John Mkumbe von der Universität von Simbabwe. "Der politische Stillstand würde aufgebrochen und die Wirtschaft könnte sich endlich wieder erholen."
Dabei hatte alles so gut mit Robert Mugabe angefangen. Der Befreiungskämpfer war von seinem Volk bejubelt worden, als er 1980 in freien und fairen Wahlen zum ersten Präsidenten des unabhängigen Simbabwe gewählt wurde. Mugabe schlug versöhnliche Töne an, initiierte die größte Bildungsoffensive Afrikas und verhalf der Wirtschaft zu immer neuen Rekorden. Er hätte einst strahlend in die Geschichtsbücher eingehen können. Doch im Jahr 2000 enteignete er weiße Farmer und brachte damit die internationale Gemeinschaft gegen sich auf. Die Wirtschaft kriselte, internationale Sanktionen und die Isolation des Landes folgten. Der Befreier wandelte sich zum rücksichtslosen Diktator, ließ Kritiker verfolgen, die Opposition einschüchtern und manipulierte die Wahlen. Heute liegt das Land wirtschaftlich am Boden und gleicht einem Armenhaus. Die Inflation wird derzeit auf 1.800 Prozent geschätzt. Ungefähr 80 Prozent der Bevölkerung sind ohne Arbeit. Die einheimische Industrie ist zusammengebrochen und die meisten Familien überleben nur noch dank Überweisungen von Angehörigen aus dem Ausland. Die Schulen haben kein Geld mehr für Papier, die Krankenhäuser keine Medikamente und immer häufiger geht in den großen Städten das Licht aus.
Der simbabwische Zentralbankgouverneur Gideon Gono strich in einer Währungsreform im August vergangenen Jahres zwar drei Nullen von den Banknoten, doch blieb die Maßnahme ohne großen Effekt. Mittlerweile äußert auch er Zweifel, wie in den nächsten Wochen die Strom- und Benzinimporte bezahlt werden sollen. "Die lokale Währung kann ich immer nachdrucken lassen", gibt der Gouverneur offen zu, "aber amerikanische Dollars oder britisches Pfund sind nicht so leicht herbeizuzaubern." Und die sind angesichts eines so massiven Verfalls der simbabwischen Währung gefragt.
Einzig die Oppositionspartei Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) unter Morgan Tsvangirai und Arthur Mutambara schöpft aus dem neuen, erschreckenden Niveau der Krise noch Hoffnung. Seit 1999 kämpfte sie gegen den immer ausgefeilteren Unterdrü-ckungsapparat Robert Mugabes. Geschwächt und zerstritten drohte die Partei zuletzt fast unterzugehen. Doch nun gehen dem politischen Gegner allmählich das Geld und die Anhänger aus.
Mit Joyce Mujuru scheint nach Jahren des politischen Stillstands endlich wieder jemand mehr Trümpfe im Ärmel zu haben als Präsident Mugabe. Die Vizepräsidentin kann sich auf weite Teile der Regierungspartei ZANU-PF verlassen. Sie stammt aus der wichtigen Mashonaland Ost Provinz und verfügt als eine der erfolgreichsten Geschäftsfrauen des Landes über ein riesiges Privatvermögen. Ihr Ehemann Solomon "Rex" Mujuru ist der ehemalige Armeechef der simbabwischen Streitkräfte und führte Mugabes Guerilla während der Befreiung an. Noch immer hat der General großen Einfluss auf die Sicherheitsdienste, die ohnehin allmählich ungeduldig werden.
Im Dezember vergangenen Jahres führte Joyce Mujuru die Kritiker Mugabes an und war wesentlich für die Ablehnung seines Verlängerungsantrages auf dem Parteitag der ZANU-PF verantwortlich. Erstmals in der Geschichte sprach sich eine Mehrheit gegen einen Wunsch des Präsidenten aus, der seine Amtszeit angeblich nur deshalb um zwei Jahre erweitern wollte, um die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen parallel abhalten zu können.
Doch wie Mujuru und der ehemalige Parlamentssprecher Emmerson Mnangagwa haben viele Genossen nicht nur genug von der Alleinherrschaft, sie wollen auch den Ruin der simbabwischen Wirtschaft aufhalten, der zunehmend ihre eigenen Geschäfte in Mitleidenschaft zieht. Zudem rechnen sich Mujuru und Mnangagwa selber Chancen auf das Präsidentenamt aus.
Die Bewegung für Demokratischen Wandel trug ihren Protest unterdessen wieder auf die Straße. Die Anführer haben nicht nur ein gemeinsames Ziel, sondern suchen auch wieder mehr internationale Aufmerksamkeit für die desolate Lage in ihrer Heimat herzustellen. Dafür setzten sie sich auch wieder der vollen Brutalität des Regimes aus. Bei einem Protestgebet unter dem Motto "Rettet Simbabwe" in der Hauptstadt Harare wurden Morgan Tsvangirai und mehrere seiner Anhänger im März schwer verletzt, mehrmals festgenommen und gefoltert, ein Demonstrant wurde erschossen.
Die Bilder waren so erschütternd, dass die Weltgemeinschaft reagierte. Nach langem Schweigen übten die Vereinigten Staaten, die Europäische und die Afrikanische Union wieder Kritik an Mugabe. Selbst die demokratische Regionalmacht Südafrika, die zum weltweiten Erstaunen an dem Diktator in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft festhält, rief zum "Einhalten der Menschenrechte" in Simbabwe auf.
Als erstes müssen sich nun die Abweichler innerhalb der ZANU-PF gegen den massiven Widerstand ihres Präsidenten durchsetzen. Mugabe hat seine neuen Feinde bereits erkannt, weite Teile seiner Geburtstagsrede widmete er der "unersättlichen Machtgier" der Mujurus und verkündete, ebenso wenig an einen Rückzug wie an einen Nachfolger denken zu wollen. Schließlich solle "das Volk entscheiden" und der 83-Jährige könne ja "noch jahrelang weitermachen".
Die Machtverhältnisse sind noch nicht ganz klar. Der Verlängerungsantrag Mugabes wurde an die Provinzbüros und an das Zentralkomitee der ZANU-PF zurückgegeben, die sich nun äußern sollen. Wenn sie zustimmen, könnte Mugabe dem Parlament im Juli seinen Antrag zur Entscheidung vorlegen. Doch nur zehn Abweichler innerhalb der eigenen Partei könnten ihm dann eine finale Niederlage beibringen. "Und sollten Mujuru und Mnangagwa erfolgreich sein, würden sie vor neuen Herausforderungen stehen", sagt der Experte John Makumbe. "Schließlich sind sich die beiden einzig darin einig, Mugabe loswerden zu wollen. Die werden ordentlich die Macheten wetzen, wenn es an die Neuverteilung der Macht geht."
Spätestens dann wird die internationale Gemeinschaft gefragt sein, den Neuanfang in Simbabwe zu orchestrieren. Dabei darf sie weder die Opposition noch die Zivilgesellschaft vergessen, frühzeitige Zugeständnisse für die Rückkehr des Landes in die Weltgemeinschaft oder die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen könnten ein falsches Signal senden.
Simbabwe ist politisch und ethnisch tief gespaltenen, Korruption ist weit verbeitet und auch die neuen Aspiranten auf das höchste Amt im Staat sind noch keine ausgewiesenen Demokraten. Nur eine Übergangsregierung, an der alle Parteien beteiligt werden, eine neue Verfassung und schließlich freie und faire Wahlen können Simbabwe wieder aus der Isolation befreien. Schwer zu sagen, ob das Ende Mugabes oder der demokratische Neuanfang die wirkliche Herausforderung darstellt.