Angenommen, in Deutschland bricht eine Epidemie aus. Die Einsatzhelfer rotieren, möglichst viele Menschen müssen geimpft werden. Dürfen in diesem Fall auch solche Spritzen eingesetzt werden, bei denen das Verfalldatum abgelaufen ist? Die Bundesregierung findet ja und hat einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vorschriften ( 16/4455 ) vorgelegt. In einer Anhörung am 28. März stieß der Vorschlag im Großen und Ganzen auf Zustimmung.
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) zeigte sich überzeugt davon, dass die geplante Regelung Qualität, Leistung und Sicherheit der Produkte gewährleisten könne. Wichtig sei dabei, dass das Qualitätsmanagement nicht dezentralisiert werde, sagte der DRK-Sachverständige Frank Jörres. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung (BAG Selbsthilfe) zog in ihrer Stellungnahme allerdings in Zweifel, dass der Patientenschutz mit der geplanten Neuregelung hinreichend berücksichtigt wird.
Die Regierung verweist in ihrem Gesetzentwurf auf das Beispiel der vom Bund zum Zwecke einer möglichen Pockenimpfung beschafften Impfnadeln. Schon bisher habe die Möglichkeit bestanden, Medizinprodukte ohne Verfalldatum an die Bundeswehr abzugeben. Dies solle nun auch für die Abgabe an die Bundes- und Länderbehörden zum Zwecke des Zivil- und Katastrophenschutzes gelten, so die Regierung.
In dem Gesetzentwurf geht es auch um andere Themen rund um Medizinprodukte, zu denen beispielsweise medizinisch-technische Geräte, Implantate, Spritzen, Verbandstoffe und Sehhilfen gehören. Eine geplante Änderung des Medizinproduktegesetzes (MPG) betrifft etwa die Eigenherstellung speziell von In-Vitro-Diagnostika wie Reagenzien, Probenbehältnisse oder Produkte, die zur In-Vitro-Untersuchung von Proben aus dem menschlichen Körper bestimmt sind. Zudem will die Regierung mit einem Verzicht auf bestimmte Anzeigepflichten in Bezug auf klinische Prüfungen, Aufbereitung und Sonderanfertigungen einen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten. Geplant ist auch die Aufnahme von Produkten in das MPG, die nicht originär als Medizinprodukte hergestellt wurden, zum Beispiel beim Einsatz von Fitnessgeräten für das EKG.
Das kritisierte die Deutsche Krankenhausgesellschaft. "Die Grenzen zwischen normalen Produkten und Medizinprodukten werden verwischen", heißt es in ihrer Stellungnahme. Darüber hinaus könnten plötzlich Geräte zu Medizinprodukten werden, die nie als solche in Verkehr gebracht wurden, etwa Kühlschränke.
Außerdem soll laut Entwurf künftig der Gemeinsame Bundesausschuss -das Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen -Richtlinien festlegen, welche arzneimittelähnlichen Medizinprodukte in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Die Spitzenverbände der Krankenkassen begrüßten diese Regelung. Allerdings löse der Gesetzentwurf nicht die derzeit auftretenden Probleme bei der Abgrenzung von Medizinprodukten zu Arzneimitteln.
In der Anhörung ging es auch um mehrere Änderungsanträge zur Gesundheitsreform, die die Koalition im so genannten Omnibusverfahren an den ursprünglichen Gesetzentwurf angehängt hat. Der Leiter der Berliner Dependance des AOK-Bundesverbandes, Erwin Dehlinger, begrüßte die geplanten Änderungen "technischer Versehen", wies aber zugleich auf eine von seinem Verband vorgelegte Liste mit 23 Änderungsnotwendigkeiten hin.
So gebe es etwa Klärungsbedarf bei der Schutzimpfung. "So wie das jetzt geregelt ist, würden weiter Praxisgebühren anfallen", sagte Dehlinger. Auch Professor Jürgen Fritze vom Verband der privaten Krankenversicherung schloss weiteren Korrekturbedarf nicht aus.