Innenansichten
Werner Bramke über seine Zeit als Landtagsabgeordneter in Sachsen
Die Krise der Demokratie" beginnt mit einer düsteren Prophezeiung Friedrich Schorlemmers aus dem Jahr 2005, die Deutschland eine verfehlte politische Entwicklung konstatiert. Dann schweift das Eingangskapitel in die letzten Monate der DDR zurück, als der Spielraum für demokratische Veränderungen groß schien. Über eine Krise der Demokratie wurde in letzter Zeit schon häufig gesprochen und geschrieben, der Untertitel "Erfahrungen aus einem ostdeutschen Landtag" trifft den Inhalt des Buches jedoch genauer. Es ist das Resümee eines Historikers, der über sein gesellschaftlich-politisches Engagement seit 1990 schreibt, eigene Positionen und Entscheidungen wohl auch nachträglich erklären möchte.
Autor Werner Bramke, Jahrgang 1938, war von 1979 bis 2003 Professor an der Leipziger Universität, zeitweise Direktor der dortigen Sektion Geschichte. Bramke war 1990 aus der PDS ausgetreten, einen radikalen Bruch mit der Linken vollzog er jedoch nicht. Von 1994 bis 2003 war der Wissenschaftler parteiloses Mitglied der PDS-Fraktion im Sächsischen Landtag und Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschulen, Kultur und Medien.
In "Die Krise der Demokratie" schildert er seine Erfahrungen während zweier Legislaturperioden im Dresdner Landtag und geht von diesen Erfahrungen aus zu allgemeineren Einschätzungen der gesamtdeutschen politischen Verhältnisse über. Besonders ausführlich setzt er sich auseinander mit dem Verhältnis von Politik und Medien, der Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik, dem Umgang mit der MfS-Vergangenheit, der Art und Weise einer Indienstnahme von Geschichte durch Politiker und dem Verhältnis von Ost und West.
Die Innenansicht des sächsischen Parlaments gewährt eine Ahnung von den Mühen eines Landesparlaments und der angenehm unaufgeregte Blick hinter die Kulissen des ostdeutschen Vorzeigelandes Sachsen macht die ostdeutschen Besonderheiten - nicht zuletzt in der parlamentarischen Arbeit - transparenter.
Bramke schildert seine Erfahrungen mit regionalen Medien, fordert die Förderung von Mittel- und Kleinbetrieben, in denen heute wieder 80 Prozent der Beschäftigten in Sachsen arbeiten, kritisiert die "Unterwerfung der Politik unter die Wirtschaft" und verschweigt dabei seine Differenzen zur PDS-Fraktion oder Auseinandersetzungen mit illusionären Vorstellungen innerhalb der Partei nicht.
Der politische Quereinsteiger beschreibt die Fraktion zwischen Aufbruchstimmung und Routine des parlamentarischen Alltagsgeschäfts und konstatiert die Krise des Parlamentarismus anhand der Behandlung der PDS durch die etablierten Parteien und Medien. Dies gipfelt in der These, dass die noch immer nicht überwundene Ausgrenzung der Linkspartei letztlich die Demokratie schwächt.
Bramkes Buch eröffnet interessante Innenansichten der politischen Landschaft des Freistaates. Der "nicht ausgestandene Streit um die Stiftung Sächsische Gedenkstätten" kommt ebenso zur Sprache wie die Affäre um das Paunsdorf-Center, in der es um den Wahrheitsgehalt der Aussagen des Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf vor einem Untersuchungsausschuss ging.
Dabei beschränkt sich Bramke nicht auf Kritik an der beziehungsweise den Regierungsparteien und verschweigt positive Entwicklungen keineswegs. Schwer zu schaffen macht ihm aber die anhaltende Stigmatisierung der SED-Nachfolgerin als "Unrechtspartei" und damit einhergehende politische wie auch persönliche Beschädigungen, die letztlich seinen Entschluss bestimmten, sich aus der politischen Arbeit vorzeitig zurückzuziehen.
Die Krise der Demokratie. Erfahrungen aus einem ostdeutschen Landtag.
Faber & Faber, Leipzig 2006;
262 S., 18 ¤