Auch wenn die Europäische Union 2007 schon seit 50 Jahren besteht, konnten die Abgeordneten im Plenum doch noch eine kleine "europäische Premiere" feiern: erstmals wurde im deutschen Parlament die Strategie- und Jahresplanung der Europäischen Kommission für das kommende Jahr debattiert: Die Abgeordneten wollten damit auch ein Zeichen setzen. Vielen war seit langem ein Dorn im Auge, dass sie oftmals erst über Initiativen oder EU-Vorlagen aus Brüssel erfuhren, wenn dort die Entscheidungen bereits gefallen waren. Mit der 2006 verabschiedeten Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und dem Bundestag wurde offiziell festgeschrieben, dass die Regierung das Parlament "frühzeitig und fortlaufend" über EU-Unterlagen unterrichtet - dazu zählt auch das Jahres- und Strategieprogramm der Kommission. Zwar erarbeitet die Kommission ihre Jahresplanung und ihr Arbeitsprogramm in eigener Verantwortung. Die Mitgliedstaaten können jedoch eigene Stellungnahmen dazu abgeben. Die Bundesregierung hatte ihre Meinung dazu bereits am 19. März übermittelt, was von Teilen der Opposition kritisiert wurde.
In der Debatte am 26. April begrüßte Staatsminister Günter Gloser (SPD) dennoch, "dass wir uns früh auf nationaler Ebene mit den Überlegungen der Kommission befassen und uns in den weiteren Planungsprozess einbringen können". Konkrete Maßnahmen konnte er zwar nicht nennen, erläuterte aber die großen Ziele der Gemeinschaft für 2008 : Wohlstand, Solidarität und Sicherheit. Für die Bundesregierung hob er nochmals den Bereich Energieversorgung und Klimaschutz hervor. Hier hat die Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen für erneuerbare Energien angemahnt. Die Meßlatte der Bürger, so Gloser, sei dabei, "ob es uns gelingt ihre konkrete Lebenssituation durch passende und angemessene europäische Lösungen zu verbessern". Für die Union warnte Thomas Silberhorn (CDU/CSU) davor, die Debatte zu einer "Art Regierungserklärung zur Europapolitik" werden zu lassen. Die Debatte müsse mit Blick auf Details geführt werden. Und er kritisierte, dass die Kommission neue Rechtsetzungsakte angekündigt habe, ohne deren Rechtsgrundlage darzustellen. Auch die Frage der Subsidiarität - also der Grundsatz, dass die Union nur dort tätig werden soll, wo dies die Mitgliedstaaten nicht besser selber können - müsse bei vielen Punkten kritisch bewertet werden.
Die FDP-Fraktion begrüßte es ebenfalls, über die EU-Planung frühzeitig beraten zu können, kritisierte aber den späten Zeitpunkt der Debatte: "Glauben Sie allen Ernstes, dass der Deutsche Bundestag auf diese Weise jemals europatauglich wird, fragte Michael Link und appellierte an die Abgeordneten, ihre Mitwirkungs- und Kontrollrechte stärker wahrzunehmen. Er forderte, dass sich ein "Abhandeln zwischen Tür und Angel" beim nächsten Mal nicht wiederholen dürfe. Michael Roth (SPD) konterte, dass es schließlich Aufgabe der Opposition sei, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Diese Debatte habe aber die Große Koalition anberaumt. Roth wiederholte seine Forderung, politisch relevante Dokumente auch ins "Deutsche und in alle weiteren Amtssprachen" zu übersetzen. Denn wer den nationalen Parlamenten mehr Verantwortung übertragen wolle, "der muss ihnen auch die nötigen Instrumente an die Hand geben".
Die Linke nahm die Debatte erneut zum Anlass, das Scheitern der EU-Verfassung zu konstatieren. "Alle Versuche, diesen Wunschkatalog der Neoliberalen durchzumogeln, sind gescheitert", sagte Alexander Ulrich und forderte eine europäische Politik, die nicht "einseitig von Wirtschaftsinteressen" geleitet sein dürfe. Auch Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) brachte die Verfassung ins Gespräch und forderte, 2008 - ein Jahr vor den Europawahlen 2009 - der EU eine neue Grundlage zu geben. Und er forderte dazu auf, in Europa auch 2008 zu feiern: den Euro. dessen Einführung 1998 beschlossen wurde.