FEINSTAUB
Können Fahrverbote in Umweltzonen die Belastung senken? Die Anwendung bereitet Probleme.
Es hätte ein PR-Coup werden können. Am 1. Juli rücken TV-Teams in Stuttgart, Ludwigsburg, Leonberg, Ilsfeld und Schwäbisch-Gmünd ein und lassen die Top-Nachricht über die Bildschirme flimmern: Schon im Sommer und damit weit vor anderen Kommunen wollte man im Mittleren Neckarraum Umweltzonen einrichten und zur Reduzierung der Feinstaubbelastungen Altautos aus Citybereichen verbannen. In Stuttgart und Ludwigsburg sollte die ganze Stadt für "schmutzige" Fahrzeuge tabu sein. In Ämtern tüftelte man bereits an Ausnahmeregelungen für Handwerker, Anwohner oder Oldtimer-Fans, sofern deren Wagen keine grüne, gelbe oder rote Plakette erhalten, die nach der Kennzeichenverordnung zur freien Fahrt berechtigen.
Doch aus den mit viel Getöse angekündigten schwäbischen Umweltzonen wird erst einmal nichts. Wie überall in der Republik kann man frühestens zum Januar 2008 starten. Jüngst stellte sich plötzlich heraus, dass es Bund und Länder versäumt haben, frühzeitig die Voraussetzungen für die beim Kraftfahrtbundesamt erforderliche Normierung von Partikelfilter-Systemen bei alten Diesel-Pkw und -Lkw zu schaffen: Nachrüs-tungen mit dieser Technik eliminieren bei "rußenden" Dieselautos die Feinstaubemissionen und verhelfen deren Besitzern zu den begehrten Plaketten.
Zudem sollen nach Protesten etwa des Städtetagspräsidenten Christian Ude oder des ADAC entgegen ersten Beschlüssen nun doch die 4,6 Millionen Alt-Benziner mit einem Katalysator der ersten Generation von Fahrverboten ausgenommen werden. "Der Bund lässt die Länder bei der Luftreinhaltung kalt im Regen stehen", kritisiert Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU). "Wir brauchen das Handwerkszeug für die Umsetzung", betont sie im Blick auf die Nachrüst-Normen. Kollege Ernst Pfister vom Wirtschaftsressort ortet in Berlin "Schlafmützigkeit".
Solche Vorwürfe weist man im Bundesumweltministerium entschieden zurück. Die Scharmützel lenken den Blick auf die Frage, ob lokal begrenzte Umweltzonen die Feinstaubwerte überhaupt wirksam vermindern können. Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamts, ist optimistisch und rechnet mit "erheblich weniger Feinstaubbelas-tungen durch den Straßenverkehr". Auch Öko-Verbände plädieren energisch für dieses Konzept. Laut EU darf an höchstens 35 Tagen im Jahr der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft überschritten werden. 2006 hatten in fast 70 Kommunen diverse Messstellen Verstöße gegen dieses Limit angezeigt, Spitzenreiter war mit 175 Tagen eine Station in Stuttgart. In solchen Fällen sind die Behörden zu "Aktionsplänen" verpflichtet, zu denen auch Umweltzonen gehören können.
Bereits über zwei Dutzend Städte wie etwa Berlin, Köln, Frankfurt, München, Hannover, Mannheim oder Nürnberg wollen 2008 aus Citysektoren Wagen aussperren, die keine der nach Schadstoffausstoß klassifizierten roten, gelben oder grünen Plaketten erhalten. Für das gesamte Ruhrgebiet wird eine einheitliche Regelung diskutiert. In wenigen Jahren dürfte der Bannstrahl eines Fahrverbots auch "rote" Autos treffen.
Allerdings bezweifeln Kritiker bei Wirtschaftsverbänden, beim ADAC oder bei der FDP die Effizienz dieser Strategie. Immerhin stammt nur rund ein Viertel der Feinstaubemissionen vom Autoverkehr. Eine weitaus größere Rolle spielen Kraftwerke und Indus-trie. In Berlin wird zuweilen je nach Windstärke der größte Teil des Feinstaubs aus tschechischen und polnischen Anlagen he-rangeweht. Die Befürworter von Umweltzonen argumentieren, dass Fahrverbote für "schmutzige" Autos zumindest lokale Belastungsspitzen abzubauen vermögen. Ob dies stimmt, wird sich erst in der Praxis überprüfen lassen.
Im Übrigen harren rätselhafte Phänomene einer Erklärung: Im ländlichen Schwäbisch-Gmünd sind die Feinstaubkonzentrationen hoch, während die Großstadt Saarbrücken trotz ihrer enormen Verkehrsdichte die Messlatte des EU-Limits noch nie gerissen hat. Die Aufregung war groß, als die Zahl von sechs bis sieben Millionen Fahrzeugen herumgeisterte, die aus Umweltzonen vertrieben werden sollen. Indes machten den Löwenanteil die 4,6 Millionen Benziner mit einem Kat der ersten Generation aus, die aber nun doch eine Plakette bekommen werden, da sie anders als Diesel ohne Filter keinen Feinstaub aus dem Auspuff jagen.
Es bleibt freilich bei Fahrverboten für die etwa eine Million ebenfalls "feinstaubneutralen" und oft von einkommensschwachen Studenten, Ausländern und Erwerbslosen gesteuerten Benziner ohne Kat, die jedoch aus Altersgründen ohnehin bald stillgelegt werden: Diese Regelung begründet das Bundesumweltministerium mit den Hinweis, dass in wenigen Jahren strengere Stickoxid-Grenzwerte in der Luft einzuhalten sind - ein Aspekt, der indes beim Streit um Fahrverbote lange Zeit keine Rolle spielte. Nach Protesten werden Oldtimer, auch frei von Feinstaub, in Umweltzonen wohl ebenfalls weiter herumkurven dürfen.
Die rege Nachfrage bei Werkstätten deutet an, dass die Filter-Nachrüstung von Diesel-Pkw vor allem wegen der staatlichen Förderung von 330 Euro voranschreiten wird. Betroffen von Verboten dürften besonders Handwerker und Firmen sein, deren alte Lkw sich technisch nur schwierig und teuer nachrüs-ten lassen. Sollten es letztlich nur einige Hunderttausend Alt-Diesel sein, die aus begrenzten Citysektoren in drei oder vier Dutzend Städten verbannt werden, dürfte der Beitrag zur Senkung der Feinstaubwerte jedenfalls gering sein.