KINDERKRIPPEN
2013 soll es 750.000 Plätze geben. Dafür will der Bund vier Milliarden Euro zahlen. Doch woher nehmen und wie verteilen? Vielleicht über eine Stiftung . . .
Eigentlich heißt es: Der Weg ist das Ziel. In der Diskussion um neue Betreuungsplätze für unter Dreijährige ist das allerdings nur schwer zu glauben. Zu diffus ist derzeit die Gemengelage, zu unklar der Weg. Dabei ist das Ziel mittlerweile klar fixiert: Bis zum Jahr 2013 soll es 750.000 Betreuungsplätze geben, für jedes dritte Kind soll dann einer zur Verfügung stehen; das sind dreimal soviele wie derzeit. Bei diesem Ziel ist sich eigentlich nicht nur die Koalition einig. Auch Grüne, FDP und Linke, Bundesländer und Kommunen kämpfen für mehr und bessere Kinderbetreuung.
Die Frage, an der sich die Geister von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), von Ministerpräsidenten, Bürgermeistern, kommunalen Spitzenvertretern, Familienpolitikern, Fraktions- und Parteispitzen scheiden, lautet: "Wie?"
Wie soll der Ausbau organisiert und vor allem wie soll er bezahlt werden? Soll es einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz geben? Wenn ja, ab wann? Und was ist mit den Familien, die ihre Kinder lieber selbst zu Hause betreuen wollen, werden auch sie in irgendeiner Form zusätzlich finanziell unterstützt? Seit dem 2. April, damals fand der so genannte Krippengipfel statt, tauchen stetig neue Ideen, neue Forderungen und nicht zuletzt neue Probleme auf.
Ende vergangener Woche schienen sich die positiven Meldungen im Krippenkonflikt nach einem Spitzentreffen zwischen von der Leyen, die ausbauen will, Steinbrück, der auch ausbauen will, vor allem aber bezahlen soll, und Familienpolitikern beider Fraktionen zu überschlagen: "Annäherung im Krippenstreit", titelte die eine, "Annäherung ohne Spendierhosen" eine andere große Zeitung.
Hinter dieser Annäherung steckt das, was Steinbrück als "Brücken" bezeichnete, und von der Leyen "erste Schritte auf einem gemeinsamen Weg" nannte. Dieser Weg muss zumindest die unterschiedlichen Positionen der Koalition verbinden.
Während die SPD ganz klar einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz vom Jahr 2010 an fordert, lehnte die CDU diesen bisher ebenso klar gänzlich ab. In einer Aktuellen Stunde, beantragt von Grünen und FDP, unterstrich Nicolette Kressl (SPD) am 11. Mai, dass dieser nur eine logische Folge aus der - ebenfalls von den Sozialdemokraten geforderten - Beteiligung an den Betriebskosten sei.
Nun scheint Bewegung in die bisher vehement vertretenen Positionen gekommen zu sein. Es scheint nach dem Treffen am 9. Mai, als könne sich die Union doch mit einem Rechtsanspruch anfreunden, allerdings erst vom Jahr 2013 an, so sagt man. Von der Leyen am 11. Mai im Bundestag: "Wenn wir das Fundament bis 2013 geschaffen haben, ist ein Rechtsanspruch denkbar." Wie es heißt, würden sich auch die Sozialdemokraten mit dieser Frist arrangieren können; getreu dem Motto: Besser später als gar nicht.
An den Rechtsanspruch könnte die Lösung eines zweiten Streitpunkts - in diesem Fall nicht zwischen den Koalitionsparteien, sondern zwischen Bund und Ländern - gekoppelt werden. Diese fordern, zusammen mit den Kommunen, vom Bund, sich auch an den Betriebskosten der Kinderkrippen zu beteiligen. Den bisherigen Überlegungen der Familienministerin zufolge sollten die Bundesgelder lediglich für Investitionen, heißt für den Bau neuer Krippen, eingesetzt werden.
Nach den aktuellen Kalkulationen aus dem Familienministerium soll die Schaffung neuer Betreuungsplätze bis 2013 12 Milliarden Euro kosten; die Sozialdemokraten befürchten allerdings, es werde bedeutend teurer. Der Bund in Person der Familienministerin hat bisher zugesagt, vier Milliarden Euro davon zu übernehmen, Länder und Kommunen sollen jeweils ebenfalls vier Milliarden aufbringen. Jährlich will der Bund damit 600 Millionen Euro in mehr und bessere Kleinkinderbetreuung stecken. Darüber hinaus fordern Sozialdemokraten und unionsgeführte Bundesländer, dass sich der Bund nicht nur bis zum Stichjahr 2013, sondern dauerhaft an den zusätzlichen Betriebs- und Personalkosten beteiligt. Neueste Idee zur Regelung der Krippenfinanzierung ist die Einrichtung einer Stiftung, die - ähnlich wie beim Fonds nach der Flut im Oderbruch - Gelder auf Antrag bedarfgerecht ausschüttet.
Widerstand zu der Annäherung kommt von den Kommunen. Mit dem Verweis auf regionale Unterschiede beim Bedarf an Ganztagesbetreuung lehnt der Deutsche Städte- und Gemeindebund einen Rechtsanspruch "strikt ab".
Die Forderungen der Opposition komplettieren das Krippen-Wirrwarr: Für die Liberalen bedarf es zusätzlich zum Ausbau der staatlichen Kinderbetreuung unter anderem auch der Förderung privat-gewerblicher Initiativen. Außerdem dürfe nicht nur Wert auf Quantität gelegt werden, mindestens ebenso wichtig sei die Qualität der Betreuung und die Ausbildung der Erzieherinnen. Einen entsprechenden Entschließungsantrag ( 16/4443 ) lehnte der Familienausschuss am 9. Mai mit den Stimmen von Koalition, Grünen und Linken ab. Ebenso keine Mehrheit fand bei den Fachpolitikern ein ähnlicher Antrag der Linken ( 16/4412 ), obwohl - wie auch beim FDP-Antrag - die Ansätze "unterstützenswert" seien, so Ingrid Fischbach (CDU). In der Koalitionsrunde am 14. Mai soll beschlossen werden, wie es weiter geht - damit der Weg auch ans Ziel führt.