Noch einen Tag vorher sah es so aus, als ob es scheitern würde. Von einer "tiefen Kluft im Bundestag" und "unüberbrückten Gegensätzen" schrieben Zeitungskommentatoren. Doch schon 24 Stunden später vermeldeten sie die "unerwartete Wendung in letzter Minute". Am 16. Mai 1952, nach 15 Monaten Beratung und einer drei Tage dauernden abschließenden Lesung im Bundestag, wurde das Gesetz zum Lastenausgleich verabschiedet und trat am 1. September desselben Jahres in Kraft.
Eine Wohnung, Tisch, Stuhl und vor allem Geld - das bedeutete der Lastenausgleich konkret für viele Bundesbürger. Vor allem die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten brauchten Hilfe. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, musste auch etwas für den sozialen Frieden getan werden. Die Lösung hieß Umverteilung. In einem so genannten Ausgleichsfonds sollte Geld gesammelt werden, mit dem Vertriebene, Kriegs- und Währungsumstellungsgeschädigte ihre Verluste abmildern konnten. Neben Zuschüssen des Bundes sollten vermögende Bürger Abgaben auf ihren Besitz und ihr Vermögen einzahlen. Dazu kamen Abgaben auf Hypotheken- und Kreditgewinne.
Die SPD warf der Bundesregierung vor, kleine Teile der Bevölkerung zu subventionieren. Seit 1949 hätten die Reichen dazugewonnen und die Armen noch mehr verloren, so Erich Ollenhauer (SPD). Das Lastenausgleichsgesetz sei die "Krönung dieser Politik der Bevorzugung des großen Privatbesitzes". Im Namen seiner Partei kritisierte er unter anderem, dass auch der Staat Abgaben leisten müsse. Da dieses Geld aus Steuergeldern stammen werde, müssten die Empfänger letztlich ihre Zuschüsse mitbezahlen.
Den Ausschlag für die Annahme gab die Gruppe der Vertriebenen der Regierungsfraktionen. Nachdem die Koalition aus CDU/CSU, FDP und DP einen Antrag einbrachten, der bis 1954 pro Jahr 650 Millionen Mark mehr Eingliederungshilfe für Vertriebene versprach - ursprünglich sollten sie 200 Millionen pro Jahr erhalten - stimmten sie dem Gesetz zu. Linus Kather (CDU) sprach von einem "tragbaren Kompromiss" und von Verantwortung, die er übernehmen müsse.
Das Gesetz wurde vielfach geändert. Zuletzt im Frühjahr vergangenen Jahres, als es zum Beispiel Rückzahlungsverfahren bereinigt werden sollten. Ganz aufgehoben werden konnte das Gesetz nicht: 2006 erhielten unter anderem noch 14.500 Menschen Kriegsschadenrenten. Die Bundesregierung rechnet nach eigenen Angaben damit, dass aus dem Fonds noch bis in die Jahre 2030 bis 2035 Renten gezahlt werden. Jetzt sind es die Rückforderungen, die den beauftragten Banken Arbeit bereiten. Nach der Wiedervereinigung erhielten viele Menschen Grundstücke in Ostdeutschland zurück, für die sie vorher entschädigt wurden. Also fordert der Staat seine Hilfe wieder ein.