MECKLENBURG-VORPOMMERN
Ein Investor aus Peking übernimmt den Flughafen in Parchim
Erstmals hat jetzt ein Investor aus dem Reich der Mitte einen Flughafen auf dem alten Kontinent erworben - und dies in der abgelegenen Region des Landkreises Parchim bei Schwerin. In Peking ist der Coup des Transportunternehmens Link-Global Logistics unter seinem Chef Pang Yuliang ein Topthema: In China mit seiner Mischung aus staatlichem Kommunismus und wildem Marktkapitalismus muss die Regierung größere Auslandsinvestitionen genehmigen. Hierzulande provoziert der chinesische Einstieg in die deutsche Verkehrsinfrastruktur indes erstaunlich wenig Aufsehen.
Der Wagemut Pang Yuliangs, der für den Kaufpreis und für die zugesicherten Investitionen in den Ex-Militärairport mit seinen 800 Hektar 100 Millionen Euro aufbringen muss, mutet auf den ersten Blick für einen Provinzflecken schon etwas abenteuerlich an: Parchim soll, so die weitreichenden Pläne, zu einem internationalen "Frachtkreuz des Nordens" avancieren. Auch an Passagierflüge ist gedacht, wobei Link-Global dort bisher noch nicht aktiv ist.
Eine eigenwillige Mischung: In Parchim verbindet sich die ökonomische Expansion einer aufstrebenden Weltmacht mit der Hoffnung einer von hohen Erwerbslosenzahlen und Abwanderung gebeutelten Region auf Prosperität. Wolfgang Waldmüller, CDU-Landtagsabgeordneter und Wirtschaftsfachmann im Kreistag, sieht bei den Chinesen und dem Landkreis eine Interessenidentität: Beide wollten ein "Drehkreuz für Luftfracht, das Wachstum und Arbeitsplätze schafft". SPD-Landrat Klaus-Jürgen Iredi: "Das Konzept stimmt", der Investor habe auch "viele gute Kontakte". Die Industrie- und Handelskammer versprüht ebenfalls Optimismus: Für Mecklenburg-Vorpommern öffne sich ein "zusätzliches Tor in die Welt".
Erleichtert sind die Regionalpolitiker auch deshalb, weil sie jetzt erst einmal ein defizitäres Millionengrab los sind. Der einst unter Hitler errichtete Stützpunkt für Kampfjets wurde nach dem Krieg von Moskau zu einem riesigen Militärstandort ausgebaut, auf der Drei- Kilometer-Piste konnten größte Transportmaschinen starten und landen. Nach dem Abzug der Sowjets fiel der Flughafen an das Land und regionale Gebietskörperschaften. Viele Millionen aus öffentlichen Kassen flossen in den Ausbau des Airports, in dessen Umfeld ein Industrie- und Gewerbegebiet entstehen sollte. Aus den Träumen wurde bislang nichts. Vor der Privatisierung mit Hilfe von Link-Global scheiterte ein ähnlicher Versuch: Der Einstieg eines britischen Investors geriet zum Flop, nur der Rückkauf durch den Kreis verhinderte das Ende des Flughafens.
Die ungewöhnliche Liaison zwischen Parchim und China ist der neueste Farbtupfer im Dauerdrama um deutsche Regionalflughäfen: Die meisten dieser Anlagen sind Subventionsgräber, werden aber trotz immenser Kosten von Landes- und Kommunalpolitikern in der Hoffnung auf Wirtschaftsimpulse und Jobs, teils auch aus Prestige, am Leben erhalten. Bizarre Storys sind zu vermelden. So bekriegen sich die nur 40 Kilometer entfernten Airports in Saarbrücken und im pfälzischen Zweibrücken in einem ruinösen Verdrängungswettbewerb, jeweils gesponsert aus den Landeskassen. Am Oberrhein setzte die Stadt Lahr durch, dass auf ihrer früheren Militärpiste internationale Besucher des gigantischen Freizeitparks Rust an- und abreisen dürfen - obwohl dieser Grenzlandstrich bereits bestens mit Flughäfen bestückt ist.
Immerhin bleibt in Parchim der Steuerzahler nun verschont. Aber ob aus den Ambitionen von Link-Global und des Kreises etwas wird? Technisch steht dem Tatendrang nichts im Wege. Die Landebahn erlaubt Langstreckenflüge, kein Nachtflugverbot stört. Pang Yuliangs Firma ist in den USA, Russland, Ägypten und Dubai mit Dependancen präsent. Landrat Iredi ist überzeugt, dass nach dem Einstieg der Chinesen auch Fluggesellschaften "aus dem Nahen Osten und Afrika" Parchim nutzen werden. In der Region keimen Hoffnungen, im Sog der Logistik könnten sich auch Produktionsbetriebe ansiedeln.
Allerdings spricht manches dagegen, dass gerade Parchim zum Drehkreuz für Frachtflüge werden könnte. Bei der Lufthansa-Cargo hält man ein solches Konzept für "wirtschaftlich unsinnig" und "logistisch unattraktiv". In der Tat existieren im Nordosten mit Hamburg, Berlin und Leipzig großstädtische Knotenpunkte, die weiter ausgebaut werden. Man erinnert sich an David, der gegen Goliath antritt. Der Mythos zumindest lässt David siegen.