Den Fernverkehr von und nach Skandinavien haben vorvergangene Woche 2.000 Bewohner der Kleinstadt Augustow im Nordosten Polens lahm gelegt. Sie verlangen eine Umgehungsstraße für Lkw, die verganenes Jahr 130 schwere Unfälle, 60 davon mit tödlichem Ausgang, verursacht hatten. Die Bewohner protestieren gegen die EU-Kommission, die der polnischen Regierung beim Bau der Umgehungsstraße immer wieder in die Arme fällt. Vergangene Woche erreichte der Streit einen Höhepunkt: Die Kommission beantragte beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine einstweilige Verfügung, um den Baubeginn zu stoppen.
In dem Torfmoor im Nordosten der Masuren, wo demnächst Bagger und Planierraupen anrücken sollen, leben Luchse, Seeadler, Störche und andere seltene Tiere. Die von Warschau geplante Via Baltica, die einmal die polnische Hauptstadt mit Helsinki verbinden wird, soll genau durch dieses Idyll führen. Nicht nur in Brüssel fragt man sich, ob das sein muss; auch polnische Umweltschützer protestieren vehement.
In Brüssel sieht man ein, dass der Güterverkehr nicht durch die polnischen Kleinstädte gehen kann. "Wir wollen die Umgehungsstrasse", sagt Kommissionssprecherin Barbara Helfferich. Die polnische Regierung habe jedoch nicht nachgewiesen, dass es keine Alternative zu der von ihr bevorzugten Trasse durch das ökologisch sensible Rospuda Tal gebe. Man vermutet, dass die polnischen Behörden diese Trasse gewählt haben, weil dort der Widerstand der Grundeigentümer am geringsten ist.
Weil Warschau jede Diskussion ablehnt, hatte die Kommission im März 2007 Klage erhoben. Polen soll gezwungen werden, beim Bau der Via Baltica Rücksicht auf die Natur zu nehmen. Eine Entscheidung wird frühestens Anfang nächsten Jahres erwartet.
Bis dahin muss die Kommission verhindern, dass die Polen vollendete Tatsachen schaffen - mit der einstweiligen Verfügung. Ministerpräsident Kazcynski kündigte zwar an, dass die Bauarbeiten weiter ausgesetzt bleiben. Brüssel reicht das aber nicht: Die Kommission verlangt, dass Polen den Baustopp schriftlich notifiziert.