Arbeitslosigkeit
Erstmals sinkt die Zahl Schwerbehinderter ohne Job stärker als die aller Arbeitslosen. Ein tragfähiger Wandel oder bloß ein Strohfeuer?
Die neuen Zahlen aus Nürnberg bieten Anlass zur Hoffnung. Im Juli, so die Bundesagentur für Arbeit (BA), hat sich die Zahl schwerbehinderter Arbeitsloser erstmals besser entwickelt als die aller Arbeitslosen zusammen. Während die Gesamtzahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Juni geringfügig anstieg, sank demzufolge die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen im Juli um gut 850 auf genau 170.566. Diese Entwicklung sei "positiv", freute sich der behindertenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hubert Hüppe (CDU), um zugleich anzumahnen, "am Thema dranzubleiben". Mit gutem Grund. Denn ob sich der Trend verstetigt, steht auf einem anderen Blatt.
So geht aus dem "Bericht der Bundesregierung über die Wirkung der Instrumente zur Sicherung von Beschäftigung und zur betrieblichen Prävention" hervor, dass der wirtschaftliche Aufschwung nur mit zeitlicher Verzögerung und abgeschwächt bei den Behinderten ankommt. Der Bundestag wird sich nach der Sommerpause mit dem Bericht beschäftigen, der jetzt als Unterrichtung ( 16/6044 ) vorliegt. Darin heißt es, die Gesamtarbeitslosigkeit sinke seit 2006, während die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter erst seit Januar 2007 abnehme. Schwerbehinderte Menschen seien von negativen Entwicklungen "deutlich stärker betroffen, während sie von positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt nur wenig" profitierten. Als schwerbehindert gelten Personen, die wenigstens einen Behinerungsgrad von 50 Prozent haben.
Erklärtes Ziel der Koalition ist es, dass mehr Menschen mit Handicap "außerhalb von Werkstätten für behinderte Menschen ihren Lebensunterhalt im allgemeinen Arbeitsmarkt" verdienen können. Das begrüßen im Prinzip alle Behindertenverbände. Allerdings erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten in Werkstätten von 236.000 in 2003 auf 257.000 in 2005, Tendenz weiter steigend. Warum das so ist, will die Regierung mit einer Studie klären; Ergebnisse sollen im Juli 2008 vorliegen.
Um das Ziel zu erreichen, hat das Bundesarbeitsministerium (BMAS) als Teil der Initiative "job - Jobs ohne Barrieren" am 1. Januar 2007 das Programm "Job4000" gestartet. Damit sollen unter anderem für mindestens 1.000 Personen Arbeitsplätze geschaffen werden, die zum Beispiel aus einer Behindertenwerkstatt in die Privatwirtschaft wechseln wollen. Auf erste Erfolge kann die Regierung allerdings auch schon verweisen: Die Zahl der Schwerbehinderten mit Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei von 2003 bis 2005 um 1,2 Prozent auf 920.000 gestiegen. Die Beschäftigungsquote habe 2005 bei 4,2 Prozent gelegen im Vergleich zu 3,8 Prozent im Jahr 2001. Schwarz-Rot führt die Entwicklung auch auf die Einführung einer gestaffelten Ausgleichsabgabe zurück. Seit 2001 hat ein Arbeitgeber monatlich folgende Sonderabgaben zu entrichten: 105 Euro bei einer Beschäftigungsquote von drei bis fünf Prozent, 180 Euro bei zwei bis weniger als drei Prozent und 260 Euro bei weniger als zwei Prozent. Aus Sicht der Regierung sind Arbeitgeber "in steigendem Umfang bereit", schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Daher bestehe "kein Anlass", die Beschäftigungspflichtquote von fünf Prozent für Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen zu erhöhen.
Das kritisiert die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit Behinderungen. Durch die Absenkung der Pflichtquote von sechs auf fünf Prozent seien "die Töpfe der Ausgleichsabgabe weitgehend ausgetrocknet", bemerkte kürzlich der Lebenshilfe-Vorsitzende Robert Antretter. "Das trifft Werkstätten, Integrationsfachdienste und Integrationsbetriebe gleichermaßen und verhindert, dass die Integrationsämter ihre wichtige Aufgaben zur Unterstützung von behinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfüllen können." Deshalb sei eine Anhebung der Pflichtquote auf den bis 2004 gültigen Wert notwendig. Ähnlich äußert sich die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen. Sie regt zudem an, die Ausgleichsabgabe deutlich, "auf 1.000 Euro und mehr", zu erhöhen.
Im Hintergrund spielt mit, dass sich die Ausgaben der BA für Eingliederungs- und Ausbildungszuschüsse für Schwerbehinderte von 2004 bis 2006 um gut 116 Millionen Euro auf 167,85 Millionen Euro reduziert haben. Bei den Verbänden ist die Skepsis groß, ob eine Handlungsanweisung vom November 2006 tatsächlich, wie von der Regierung erhofft, die Fördersituation Schwerbehinderter bei den Arbeitsagenturen "nachhaltig verbessert".
In ihrem Bericht räumt die Regierung zudem ein, dass es 2005 mehr als 32.000 Arbeitgeber gab, die keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigten. Deshalb werde sie prüfen, ob die Erhöhung der Ausgleichsabgabe sinnvoll ist, signalisiert sie den Verbänden in diesem Punkt Entgegenkommen. Monika Pilath z