Interview
Das deutsche Urheberrecht bietet genügend Schutz, meint der SPD-Rechtsexperte Dirk Manzewski
Herr Manzewski, im Rechtsausschuss des Bundestages haben Sie als Berichterstatter der SPD die gerade beschlossene Urheberrechtsnovelle mitgestaltet. Was wird sich ändern?
Das Urheberrecht wird in vielen Bereichen verändert und modernisiert. Ein Schwerpunkt bildet dabei der Paradigmenwechsel bei der Pauschalvergütung.
Das müssen Sie erklären...
Die moderne Technik greift immer stärker in die Eigentumsrechte von Urhebern ein. Um ihre Einnahmeausfälle zu kompensieren, gibt es deshalb bereits seit langem eine so genannte Pauschalabgabe, die auf Geräte und Leermedien zur Vervielfältigung, also zum Beispiel Videorekorder, CD-Brenner oder CD-Rohlinge, erhoben und später an die Urheber ausgeschüttet wird. Bislang sind die einzelnen Abgaben durch eine Anlage des Urheberrechtsgesetzes geregelt gewesen. Diese Anlage berücksichtigt jedoch die digitale Entwicklung nicht mehr. Da sich die Verbände der Geräte- und Speichermedienhersteller auf der einen und die Verwertungsgesellschaften auf der anderen Seite ohnehin schon nicht mehr auf die Anlage berufen und die einzelnen Abgaben individuell aushandeln mussten, haben wir uns verständigt, diese Verhandlungshoheit grundsätzlich auf diese Verhandlungsparteien zu übertragen.
Bibliotheken kritisieren die Novelle im Hinblick auf den Kopienversand elektronischer Fachartikel. Worum geht es dabei?
Wichtig ist, dass wir den Kopienversand unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt erstmalig auf eine Rechtsgrundlage gestellt haben. Bislang gab es die nämlich nicht. Der elektronische Kopienversand ist danach künftig erlaubt, wenn der Rechteinhaber, ein Verlag beispielsweise, nicht selbst ein eigenes offensichtliches Online-Angebot zu angemessenen Preisen anbietet. Dabei mussten wir auch die von der EU-Kommission im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens geäußerten Bedenken berücksichtigen.
In Zukunft dürfen Bibliotheken Bücher auch auf ihre elektronischen Leseplätze aufspielen. Das ist eine Liberalisierung des Rechts.
Ja, das stimmt. Die Bibliotheken, Archive und Museen dürfen Bücher ihres Bestandes künftig auch an elektronischen Leseplätzen anbieten. Vom Grundsatz her gilt insoweit eine 1:1-Regelung. Zu Stoßzeiten darf diese auf maximal vier Leseplätze ausgeweitet werden. Letztlich ist auch hier der Hintergrund, den Anspruch von Urhebern und Verlagen in ein sinnvolles und ausgewogenes Verhältnis mit dem Bedürfnis nach Bildung zu bringen, denn bisher war dies verboten.
Aus dem Wissenschaftsbereich gab es viel Kritik an dieser Entscheidung. Abgaben und Einschränkungen entsprächen weder dem Grundgedanken von der Freiheit der Forschung und Wissensförderung noch dem digitalen Zeitalter, wurde argumentiert.
Ich finde die Kritik nicht berechtigt. Soweit es um die Bereiche Bildung und Forschung geht, betonen immer alle, wie wichtig dieses Thema doch sei. Doch kosten dürfen Bildungsinhalte offenbar nichts mehr. Ich kann ja durchaus Hochschulrektoren oder Professoren verstehen, die sich angesichts immer geringer werdender oder zumindest nicht steigender Zuweisungen mehr Freiräume bei der Nutzung des geistigen Eigentums wünschen. Aber die fehlende Finanzausstattung insbesondere der Hochschulen durch die Länder kann doch nicht zu Lasten der Urheber gehen! In einem Land wie Deutschland, das derart auf seine Köpfe angewiesen ist, darf geistiges Eigentum nicht verramscht werden. Wenn es sich nicht mehr lohnt, geistiges Eigentum zu entwickeln und zu publizieren, wird dies letztendlich auch zu Lasten von Bildung und Forschung gehen und wir werden damit alle gemeinsam verlieren.
Dürfen denn Schulen Bücher auf elektronische Leseplätze spielen?
Nein, die Befugnis gilt nur für Bibliotheken, Museen und Archive. Für Schulen haben wir schon bei der letzten Urheberrechtsreform mit Paragraf 52a Urheberrechtsgesetz eine Regelung geschaffen, die klar sagt, unter welchen Voraussetzungen für Unterrichtszwecke Werke in schulische Intranets eingestellt werden dürfen.
Haben die Menschen denn überhaupt noch ein Gespür für geistiges Eigentum?
Nein, und das ist ein großes Problem. Viele gehen zum Beispiel fälschlicherweise davon aus, dass alles, was man im Internet vorfindet, frei und verfügbar ist. Selbst, wenn es sich um Filme handelt, die gerade erst im Kino anlaufen. Der Wert des geistigen Eigentums verfällt zunehmend und insbesondere noch nicht etablierte Urheber haben hierunter zu leiden. Dies gilt vor allem für Newcomer aus der Musikbranche, die kaum noch Produzenten finden, da für diese das Risiko immer größer wird, wenn Songs kurz nach ihrem Erscheinen bereits illegal im Netz stehen. Nur als Beispiel: 2005 wurden rund 123 Millionen CDs verkauft und 3,5 Mal soviel, nämlich ungefähr 439 Millionen gebrannt. Die Relation stimmt überhaupt nicht mehr.
Günter Krings - mein Kollege von der CDU, mit dem ich bei dem Gesetzgebungsverfahren sehr gut zusammengearbeitet habe - und ich waren uns deshalb schnell einig, dass eine strafrechtliche Bagatellklausel, wie von einigen gefordert, ein völlig falsches Zeichen gewesen wäre, um Missbrauch zu verhindern.
Hinkt Deutschland mit der Reform des Urheberrechts im Vergleich zu den anderen EU-Ländern hinterher?
Nein, Deutschland gewährt auch im Vergleich zu anderen EU-Ländern einen umfassenden Schutz des geistigen Eigentums. Das gilt auch für das Urheberrecht. Bei entsprechenden EU-Richtlinien ist deshalb bei uns in der Regel der Umsetzungsbedarf auch gering, eben weil hier schon vieles Standard ist. Bei Patentanmeldungen liegen wir stets an zweiter oder dritter Stelle in der Welt.
Die enorme Außenhandelsbilanz von Deutschland hängt ganz eng mit den deutschen Technologien und dem dahinter stehenden rechtlich geschützten Know-how zusammen. Das Problem liegt eher darin, dass viele Länder in der EU gerne etwas weniger Schutz des geistigen Eigentums hätten. Ich glaube, die Gründe hierfür sind jedermann klar. Genau deshalb dürfen wir aber auch nicht selbst damit anfangen, unser geistiges Eigentum - aktuell das Urheberrecht - auszuhöhlen.
Das Interview führte Annette Rollmann.
Sie arbeitet als freie Journalistin in Berlin.