Der Schatz der Schätze ist das Meer." Dieser Weitblick des französischen Wirtschaftshistorikers Fernand Braudel hat sich endlich auch der Europäischen Kommission bemächtigt. Die Küstengebiete tragen 40 Prozent zum europäischen Bruttoinlandsprodukt bei. Dennoch, und mit dieser Meinung steht die EU nicht allein, seien die Bürger über die Bedeutung der See uninformiert. Sie wissen zwar, wie lebenswichtig Wasser ist, doch sie übersehen, dass es aus dem Meer kommt.
Da die Brüsseler Kommissare es wieder einmal besser wissen wollten, legten sie im vergangenen Jahr ein 56-seitiges "Grünbuch" vor und arbeiten seitdem an einer Richtlinie zum Schutz des maritimen Lebensraumes. Meerespolitik ist selbst für erdverbundene Binnenländer schon deshalb ein brisantes Thema, weil das Klima unserer Erde, deren Oberfläche zu fast drei Vierteln aus Wasser besteht, maßgeblich durch das Meer bestimmt wird.
Dabei fahren zur See durchaus Täter: Schifffahrt, die Schnellstraße der Globalisierung, ist eine Hauptquelle der Luftverschmutzung. Im Jahr 2000 beliefen sich die CO2-Emissionen von Schiffen in der EU auf 157 Millionen Tonnen - mehr als durch den boomenden Luftverkehr.
Insgesamt beweisen die EU-Vorschläge Weitblick. Einige Zusammenhänge werden jedoch von den Kommissaren übersehen. So ist die See die letzte Senke für Nitrate und für andere Schadstoffe, welche Agrarbetriebe auf Felder, die Industrie in Flüsse und wir in die Waschmaschine kippen. Dieser elementare Zusammenhang ist in der neuen EU-Meerespolitik unterbelichtet. Auch wird den einzelnen Staaten, deren Interessen am Meer gänzlich unterschiedlich sind, viel, zuviel Spielraum für nationale Egoismen eingeräumt. Hier und in anderen Punkten gilt es nachzubessern.