Tourismus
Der Wassersport boomt - das schafft Arbeitsplätze und innovative Ideen
Das Wetter spielte nur bedingt mit: Die diesjährige 17. Rostocker "Hanse Sail" hatte mit Regen, Nebel und zweitweise nur schwachem Wind zu kämpfen. Trotzdem zog das internationale Großseglertreffen vom 9. bis 12. August immerhin 750.000 Besucher nach Rostock und Warnemünde. In den Jahren zuvor waren allerdings bis zu einer Million Menschen beim größten Volksfest in Mecklenburg-Vorpommern zusammengeströmt. Etwa 250 Groß- und Traditionssegler aus 14 Ländern waren im Hafen von Rostock vor Anker gegangen, unter ihnen so große Windjammer wie das mexikanische Segelschulschiff "Cuauhtémo" oder russische Viermast-Bark "Kruzenshtern".
Neben der "Kieler Woche" im benachbarten Schleswig-Holstein, die Ende Juni ihr 125-jähriges Jubiläum feierte und die jährlich bis zu drei Millionen Besucher an die Förde lockt, ist die "Hanse Sail" eines der größten maritimen Spektakel dieser Art, die überall im Ostseeraum zu finden sind. Solche Treffen sind jedoch nicht nur Ausdruck für das Traditionsbewusstsein in der Seglerszene, sie zeugen auch von den hohen Stellenwert, den der Segelsport auf der Ostsee genießt. So stellen sich etwa zur "Kieler Woche" eben nicht nur die Traditionsschiffer ein, sondern auch Wassersportler jeder Couleur. Rund 5.000 Sportsegler der Weltelite traten bei den Segelratten gegeneinander an.
Seit jeher gelten die magischen vier "S" als eine Art Zauberformel des Tourismus am und auf dem Meer: Sonne, Strand, Surfen und Sex. Zum klassischen Strand- und Badeurlaub gesellen sich Kreuzfahrten, Tauchurlaube, Hochseeangeln oder eben das Segeln. Die Ostsee kann sich rühmen, eines der schönsten Segelreviere der Welt zu sein. Und eine ständig wachsende Zahl von Yachthäfen und Marinas an den Küsten zeugt davon. Dies zieht nicht nur eine große Zahl von Wassersporttouristen an die Küsten, sondern schafft und erhält auch die so dringend benötigten Arbeitsplätze.
Im besten Fall entstehen durch den Wassersport sogar völlig neue Berufe. So absolvierten in Heiligenhafen erst kürzlich 13 junge Männer ihre Ausbildung zur "Marina-Servicekraft" - eine Berufsbild, das es bislang nicht gab. Rund um den maritimen Servicebereich in Bootswerften, Yachthäfen, Charter- und Zulieferbetrieben sowie den Winterlagern für Boote und Yachten sollen sie einsetzbar sein. Gefördert wird das Projekt - eine Kooperation zwischen der Arge Ostholstein, der Handwerkskammer Lübeck, der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein und der Entwicklungsgesellschaft Ostholstein - mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds.
Trotz des Booms finden sich im Wassersport wie in der gesamten Tourismusbranche noch unterentwickelte Bereiche. So mangelt es nach Angaben von Behindertenverbänden in Deutschland noch immer an touristischen Angeboten für Behinderte. Eigentlich verwunderlich, denn das Potenzial in diesem Markt ist groß. Laut der Studie "Ökonomische Impulse eines barrierefreien Tourismus", die das Wirtschaftsministerium im Jahr 2003 erstellen ließ, geben Behinderte jährlich 2,5 Millionen Euro jährlich für ihren Urlaub aus. Hinzu kämen rund 2,3 Milliarden Euro Umsatz durch die Begleitpersonen.
In eine dieser Lücken ist im Mai dieses Jahr die "Wappen von Ueckermünde" gesegelt. Auf dem 22 Meter langen Zweimaster können bis zu fünf Rollstuhlfahrer mit ihren Begleitpersonen auf der Ostsee segeln - nach Polen, Dänemark oder Schweden. Betrieben wird der Rollisegler vom "Verein zur Förderung des ersten behinderten- und rollstuhlgerechten Großsegelschiffes Deutschland".
Um das Schiff behindertengerecht zu machen, mussten unter anderem Kojen, Duschen, Toiletten und Kombüse umgebaut, zwei selbstbedienbare Rollstuhllifte eingebaut werden. Und auch das Beiboot ist behindertengerecht konstruiert. Ziel des Vereins ist es aber nicht, ihre Gäste einfach nur mitfahren zu lassen. Das "Mitmachen" hat Priorität. Das gehöre auch das Setzen der Segel oder die Arbeit in der Kombüse, betont der Vereinsvorsitzende Horst Gollatz. So ist auch der Tisch für die Navigationselektronik im Ruderhaus unterfahrbar und damit für Rollstuhlfahrer nutzbar. Eine Sprachausgabe des Kompass' ermöglicht Blinden sogar das Steuern der "Wappen von Ueckermünde".