EU-VERBRAUCHERSCHUTZPOLITIK
Für reine Gesundheitsfragen ist die Gemeinschaft nicht zuständig. Das soll sich mit dem Grundlagenvertrag ändern.
Zufrieden waren die deutschen Vertreter am Ende der Sitzung des Agrarausschusses in Brüssel nicht. Zwar hatten sie soeben in der Runde der EU-Staaten durchgesetzt, dass Deutschland von 2008 an die Einfärbung von Gammelfleisch vorschreiben darf. Die anderen EU-Staaten wollten sich dazu aber nicht verpflichten. "So bleibt die Regelung sinnlos", protestierten Verbraucherschützer sogleich. "Dann wird das Gammelfleisch weiter im Ausland mit einem neuen Etikett versehen und wieder nach Deutschland eingeführt." Die Vertreter der anderen EU-Staaten wiesen dies strikt zurück. Der Vorstoß der Deutschen führe ohnehin zu nichts. Wer Gammelfleisch mit neuem Verfallsdatum versehe, der ignoriere auch die Pflicht zur Einfärbung. Immerhin einigten sich die EU-Staaten darauf, mehr Kontrollen an den Grenzen vorzunehmen.
Den Schutz der Verbraucher untereinander abzustimmen, ist nicht immer einfach in der EU. Wo schon in Deutschland so manche Entscheidung durch Diskussionen zwischen den Parteien und Widerstände aus einzelnen Bundesländern behindert wird, erhöht sich auf der EU-Ebene das Streitpotenzial weiter. Zumal oft dem Verbraucherschutz in einem Land wirtschaftliche Interessen in anderen entgegenstehen. Beispiel Tierseuchen: Lässt ein Land Impfungen zu, verliert gleich die gesamte EU den Status, seuchenfrei zu sein, und darf ohne weiteres kein Fleisch mehr exportieren. Also versucht die EU zunächst vor allem, die Ausbreitung von Seuchen zu verhindern. Als jüngst die Vogelgrippe in einem bayerischen Mastbetrieb ausbrach, handelte die EU-Kommission prompt. Sie verbot den Handel mit Fleisch aus einem Umkreis von 13 Kilometern.
Ein striktes Handelsverbot für Fleisch aus dem ganzen Land hat die Behörde Ende der 80-er Jahre nach Ausbruch gegen Großbritannien der Rinderseuche BSE verhängt. Erst Mitte 2006 wurde das Ausfuhrverbot aufgehoben, weil die Zahl der BSE-Fälle stark gesunken ist. Auflagen gibt es für die Fleischausfuhr aber immer noch. Es darf etwa nur von Rindern stammen, die nach 1996 geboren wurden. Zudem müssen die Vorgaben der EU für die Beseitigung von Risikostoffen wie Hirn und Rückenmark beachtet werden.
Auch in Fragen des Lebensmittelschutzes ist die EU alles andere als untätig. Sie geht gegen Salmonellen bei Legehennen vor und legt Regeln für die Lebensmittelwerbung fest. Seit dem vergangenen Jahr gilt die EU-Verordnung zur Werbung mit gesundheits- und nährwertbezogenen Angaben. Sie stellt Regeln dafür auf, wann ein Hersteller ein Produkt als "fettarm" oder "mit reduziertem Zuckeranteil" bewerben darf. So darf der Sodiumanteil nicht mehr als 0,12 Gramm je 100 Gramm betragen, wenn ein Produkt als "salzarm" angepriesen wird. Aussagen wie "Calcium ist gut für die Knochen" müssen belegbar sein. Der zuständige Kommissar Markos Kyprianou hat von der Industrie außerdem verlangt, gesündere Lebensmittel anzubieten, also generell weniger Salz, Fett und Zucker zu benutzen. Sonst will er 2010 strengere Kennzeichnungspflichten für zu fetthaltige, salzige oder süße Lebensmittel vorlegen.
Um die Verbraucher in Europa nicht mit verschiedenen Öko- Siegeln zu verwirren, hat die Gemeinschaft zudem beschlossen, ein europäisches Siegel einzuführen. Damit gelten einheitliche Vorgaben dafür, wann Waren das Siegel tragen dürfen, das 2009 neben die nationalen Bio-Kennzeichen wie Demeter tritt. Kritik von Umweltschützern hagelte es, da das EU-Siegel einen Anteil von 0,9 Prozent gentechnisch veränderter Stoffe erlaubt. Übersehen wurde dabei oft, dass das bisher schon möglich ist.
Im Umgang mit der Gentechnik tut sich die EU traditionell schwer. So hat sie jahrelang die Einfuhr von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und Pflanzen strikt blockiert. Weil das rechtlich nicht ganz sauber war - hat die EU sich doch im Rahmen der Welthandelsorganisation verpflichtet, keine Handelsbarrieren zu errichten - einigte man sich darauf, Anträge auf die Zulassung solcher Stoffe gar nicht zu bearbeiten. Das ging nicht ewig - und so lässt die EU heute wieder veränderte Produkte zu, solange es keine wissenschaftlich belegbaren Zweifel gibt. Das prüft die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit in Parma. Damit der Verbraucher nicht ungewollt solche Güter kauft, schreibt die EU vor, dass auf der Verpackung klar hingewiesen wird, wenn ein Produkt etwa Öl aus gentechnischen veränderten Sojabohnen enthält.
Auch wenn es um Alkohol geht, würde die EU-Kommission gerne handeln. Intern hat Gesundheitskommissar Kyprianou schon Vorschläge dafür vorgelegt, den Herstellern von Bier, Wein und Spirituosen vorzuschreiben, auf den Flaschen Hinweise über die negativen Folgen des Konsums von Alkohol zu drucken. Dann hätte es dort etwa heißen müssen: "Trinken kann tödlich sein." Nach starken Protesten der Alkoholbranche und der EU-Staaten verzichtete Kyprianou zunächst darauf, auch weil die Union genau genommen für reine Gesundheitsfragen gar nicht zuständig ist. Das ändert sich erst dann, wenn der EU-Grundlagenvertrag, auf den sich die Staaten immerhin im Grundsatz geeinigt haben, in Kraft tritt. Dann dürfte sich die Kommission in Sachen Verbraucherschutz noch stärker engagieren. Hendrik Kafsack z