Hillary Clinton
Sie könnte die erste Präsidentin der USA werden. Drei Pulitzer-Preisträger haben sie porträtiert.
Wer ist Hillary Clinton? Die Krisenmanagerin ihres Mannes, ohne deren Einsatz er nie Präsident geworden wäre? Die umsichtige Senatorin, die sich um die Interessen ihrer Wahlheimat, den Bundesstaat New York, kümmert? Eine selbstgerechte Politikerin, unfähig kleinere Fehler einzugestehen? Von größeren nicht zu reden. Die Kritikerin des Irak-Krieges, die immer noch nicht bereit ist, ihr Ja zur Autorisierung des Angriffs als Fehler zu bezeichnen? Ist sie vor allem machtbewusst? Wieso führt sie Gott häufiger im Mund als ein Bischof in Europa, wie der "Economist" kürzlich bemerkte?
Carl Bernstein und das Autorengespann Jeff Gerth und DonVan Natta halten Hillary Clinton übereinstimmend für eine ungewöhnlich disziplinierte, kontrollierte, aber auch kontrollierende Person. Wo ihr Ehemann Bill träumte, blieb sie die Realistin, die ihn, den Umständen entsprechend, zurechtwies, anspornte oder aufrichtete. Dass der Gouverneur von Arkansas Präsident der Vereinigten Staaten wurde, hat er maßgeblich seiner Frau zu verdanken. Die Frage ist, wie es nun weitergeht.
Erstmals in der Geschichte der Vereinigten Staaten könnte am 20. Januar 2009 eine "Madame President" vereidigt werden. Trotzdem greift der Untertitel des Bandes von Gerth und van Natta "Ihr Weg zur Macht" den Ereignissen voraus. Die Wähler kommen erstmals bei den
Vorwahlen am 3. Januar 2008 in Iowa zu Wort. Der strapaziöse Vorwahlmarathon, bei dem Demokraten gegen Demokraten und Republikaner gegen Republikaner antreten, ist ein Karambolage-Rennen, bei dem jeweils nur einer - oder eben eine - über die Runden kommt. Er oder sie darf dann gegen den Überlebenden der anderen Partei antreten. Wie immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November. Bis dahin kann noch eine Menge geschehen.
Aber selbst republikanische Konkurrenten schießen sich derzeit schon auf die ehemalige First Lady ein. Sie habe nicht mal einen Eckladen geführt und wolle nun die Vereinigten Staaten übernehmen; als ob man das im Praktikum lernen könne, ließ sich der Ex-Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney, vernehmen. Die Angesprochene reagiert gelassen: "Sie kritisieren mich, nicht weil ich eine Frau bin, sondern weil ich vorne liege." Dass Hillary Clinton die Floskel vom "mächtigsten Mann der Welt" auf den Kopf stellen kann, macht sie interessant. Sich Bill Clinton als "First Gentleman" vorzustellen, erfordert größere Mühen. In allen Meinungsumfragen liegt sie vorn, bei der Zustimmung wie bei der Ablehnung; an ihr scheiden sich die Geister.
Die beiden vorliegenden Hillary-Bände sind seriöse Biografien und keine Wahlkampfliteratur. Die Autoren - alle drei sind Träger des begehrten Pulitzerpreises - sind gestandene Reporter, die weniger behaupten als belegen. Übereinstimmend stellen sie das Bild in Frage, das Hillary Clinton von sich selbst zu zeichnen pflegt. Jeff Gerth und Don van Natta kommen zu dem Schluss: "Sie kann angeblich nichts falsch machen, weil sie immer im Interesse eines größeren Zwecks handelt. Diese Haltung paart sich mit ihrer Überzeugung, dass sie in jedem Raum, den sie betritt, immer die Cleverste sei." Dem Leser geht auf, dass dies häufiger an der Realität vorbeigeht, als einer Wahlkämpferin lieb sein kann.
Carl Bernstein sieht drei Säulen, die Hillary Clinton in allen Krisen und Kämpfen stützten: ihr Glaube; ihr tiefverwurzelter Wunsch, der Allgemeinheit zu dienen, und damit verbunden der Sinn für ihre eigene Bedeutung; und schließlich ein wildes Verlangen nach Diskretion. Letzteres hat weit mehr Probleme geschaffen als gelöst. Die First Lady startete den permanenten Wahlkampf. Ihre Unfähigkeit zum Kompromiss trug zum Scheitern der großen Gesundheitsreform bei, der einzigen Aufgabe, die ihr übertragen wurde. Ständig sieht sie dunkle Mächte, die sich gegen ihre idealistischen Pläne verschworen haben. Bernstein zitiert einen anonymen engen Mitarbeiter, der ihr eine "jesuitische Art zu lügen" attestiert.
Bernsteins Mammutbiografie ist die umfassendere, die seiner Kollegen Gerth und van Natta die politischere Biografie; sie nimmt auch noch Hillary Clintons Senatskarriere unter die Lupe. So erfährt der Leser, dass Senatorin Clinton vor dem Ja zum Irak-Krieg nicht einmal die Langfassung der Geheimdienstanalysen mit all den Einschränkungen und Vorbehalten gelesen hatte - wie fast all die anderen Senatoren auch.
Gerths und Van Nattas eigentliche "Enthüllung", dass die beiden Clintons früh einen geheimen Pakt geschlossen hätten, um sich nacheinander jeweils zwei Amtszeiten im Weißen Haus zu sichern, ist der schwächste Teil ihres Buches. Und auch ohne das Dementi des vermeintlichen Zeugen spräche ein solcher "Pakt" allenfalls für Übermut. Zumal wenn man Bills Serie von Affären in Betracht zieht, die seine politischen Erfolge immer wieder gefährdeten.
Bernstein macht auf die Ironie aufmerksam, dass jedoch ausgerechnet das demütigende Amtsenthebungsverfahren im Zuge der Affäre um die Praktikantin Monika Lewinsky eine Clinton-Dynastie ermöglicht haben könnte. Hillary habe eigentlich nie geplant, sich um ein politisches Amt zu bewerben. Ihrer engen Freundin Diane Blair vertraute sie an, dass sie am liebsten in einer Denkfabrik in einem Raum voller Bücher säße, um über politische Fragen nachzudenken. Erst als 1990 ihre Ehe vor dem Aus stand und Bill kein Interesse zeigte, erneut als Gouverneur zu kandidieren, habe sie mit dem Gedanken gespielt, es selbst zu versuchen. Wie 1998, als sie sich nach der Demütigung des Impeachment-Verfahrens entschloss, für den freien Senatssitz im Staate New York zu kandidieren. Zu ihrem Glück zog ihr jetziger republikanischer Gegenspieler, New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani, seine Kandidatur wegen einer Krebserkrankung zurück. Ihre wenig eindrucksvollen Sympathiewerte schnellten in die Höhe, als ob das gedemütigte Opfer ehelicher Untreue vertrauenswürdiger sei als die resolute First Lady vergangener Tage.
Carl Bernstein hat - anders als Bob Woodward, sein Mitstreiter in den Tagen der Watergate-Affäre, - lange nichts mehr zu Papier gebracht. Mit "Hillary Clinton" hat er sich offenbar freigeschrieben. Acht Jahre lang hat er so sorgfältig Politisches und Persönliches recherchiert, dass der Leser selbst noch über die physiologische Ursache der schwierigen Empfängnis der Tochter ins Bild gesetzt wird. Bernstein kam dabei zugute, dass er den umfangreichen Nachlass der engen Clinton-Freundin Diane Blair einsehen konnte.
Hillary Clinton stellte sich keinem der Autoren. Jeff Gerth gilt ohnehin als persona non grata. Er war derjenige, der die windige Whitewater Grundstücksaffäre aufdeckte, die sechs Jahre später zur Anklage des Präsidenten führte. Nicht wegen dubioser Finanzierungsmethoden, sondern weil er, um seine sexuellen Eskapaden zu vertuschen, unter Eid gelogen hatte. Gerth war es auch, der dahinterkam, dass Hillary Clinton in Little Rock das Kunststück fertiggebracht hatte, bei merkwürdigen Termingeschäften mit einem Einsatz von nur 1.000 Dollar stolze 100.000 Dollar Gewinn einzustreichen. Gerth und Van Natta erwähnen die betreffenden Artikel der "New York Times"; aber nur bei Bernstein steht, dass Jeff Gerth ihr Autor war.
Als Hillary Rodham in jungen Jahren ihrem Bill nach Arkansas folgte, bedauerten Freunde den Verzicht auf ihre Karriere. Erst 30 Jahre später erfuhren sie, dass das Scheitern der Rechtsanwaltszulassung in Washington den Umzug in die Provinz erleichtert haben könnte.
Das spielt nun auch keine Rolle mehr. Hillary Clinton nähert sich zum zweiten Mal dem Weißen Haus - diesmal jedoch aus eigener Motivation. Sollte sie es schaffen, dürften die Auflagen der Bücher steigen.
Hillary Rodham Clinton. Ihr Weg zur Macht.
Piper Verlag, München 2007; 416 S. 16,90 ¤
Carl Bernstein:
Hillary Clinton. Die Macht einer Frau.
Droemer Verlag, München 2007; 959 S., 22,90 ¤