Herr Osman, Sie haben in diesem Jahr für Ihre Arbeit im Sudan den Sacharow-Preis für geistige Freiheit erhalten. Was tun Sie in Ihrer Heimat Sudan genau?
Als Rechtsanwalt gebe ich Opfern von Menschenrechtsverletzungen in der südsudanesischen Region Darfur kostenlosen Rechtsbeistand. Das ist nicht einfach in einem Land, in dem es überhaupt keine Rechtssicherheit gibt. Ich selbst wurde drei Mal inhaftiert. 2004 habe ich in Darfur mit anderen Menschenrechtlern ein Zentrum für Folteropfer gegründet - vor allem für sexuell missbrauchte und misshandelte Frauen. Dort geben wir Hunderten von Menschen neben rechtlicher auch medizinische und psychologische Hilfe.
Was ist Ihre persönliche Motivation, den Menschen in Darfur zu helfen?
Ich selbst bin vom Stamme der Fur, nach dem die Region Darfur benannt ist. Die Opfer und Überlebenden dort gehören also zu meinem eigenen Volk. Gerade auch als Rechtsanwalt fühle ich eine moralische und soziale Verantwortung für die Menschen in der Region. Ich sehe es als meine Pflicht an, "Nein" zu sagen vor diesem Unrecht, das bei uns geschieht.
Im Sudan sind bisher schätzungsweise 400.000 Menschen umgekommen. Was erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft, vor allem von Europa?
Ich bin froh, dass Sie diese Zahl nennen. Manchmal wird sie nämlich heruntergespielt. Ich würde sagen, dass sie inzwischen höher als 600.000 ist, denn viele Menschen sterben auch durch die Folgen des Krieges wie Hunger und Krankheiten. Die Überlebenden brauchen dringend internationalen Schutz, denn die Truppen der Afrikanischen Union (AU) können das nicht mehr leisten. Daher sollte Europa Truppen schicken, denn die Menschen haben das Vertrauen in die Streitkräfte der AU verloren. Denn sie werden von Regierungen geschickt, die korrupt sind und sie nicht bezahlen können.
Wie lässt sich der Konflikt im Sudan lösen?
Zuerst brauchen die Menschen Schutz. Dann bedarf es der Verhandlungen zwischen der sudanesischen Regierung und den Menschen in Darfur. Das aber kann nur funktionieren, wenn die Regierung bereit ist, sie als sudanesische Bürger wirklich anzuerkennen. Ohne Gerechtigkeit wird es niemals Frieden in Darfur geben.
Anfang Dezember fand der EU-Afrika-Gipfel statt. Wie sehen sie das künftige Verhältnis zwischen Afrika und der EU ?
Ich war von dem Gipfel in Lissabon enttäuscht, weil das Thema Darfur dort nicht auf der Tagesordnung stand. In Zukunft muss es zwischen beiden Kontinenten eine neue Partnerschaft geben, die auch auf neuen Realitäten basiert. Aber bislang vertreten viele Regierungen in Afrika leider nicht die Interessen der Menschen - es fehlt weiter an guter Regierungsführung und echter Demokratie.
Die Fragen stellten Robert Radu und Annette Sach