Frauen im Islam
Ein kritischer Blick nach Pakistan
Das Thema "Ehrenmorde" an Frauen wird gemeinhin arabischen, türkischen oder kurdischen Gesellschaften zugeordnet oder - wenn es um die so genannten Mitgiftmorde geht - Indien. Wenig ist dagegen über die Situation der Frauen in Pakistan bekannt. Nun ist das Buch "Allah und Eva" der Niederländerin Betsy Udink in deutscher Übersetzung erhältlich, das über weite Teile dieses Thema zum Gegenstand hat. Die Autorin, die seit 30 Jahren in islamischen Ländern lebt und bereits über ihre Zeit in Saudi-Arabien und Afrika publiziert hat, verbrachte die Jahre 2002 bis 2005 mit ihrer Familie in Pakistan.
Ihr Buch, das in den Niederlanden zum Bestseller wurde, bietet Verstörendes. Etwa die schockierende Beschreibungen von Frauen, die teilweise zusammen mit ihren Kindern unter unmenschlichen Bedingungen im Gefängnis von Peshawar einsitzen, weil sie angeblich Ehebruch begangen haben. Ohne Recht und Beistand vegetieren sie mitunter jahrelang dort vor sich hin, ohne die Aussicht, wieder nach Hause zurückkehren zu können, weil "ihr Mann sie dann in Stücke hacken wird", wie eine von ihnen erzählt.
Es folgen auf den ersten 90 Seiten eine Fülle weiterer Geschichten, die allesamt jene Brutalität illustrieren, die in Pakistan den Frauen im Namen der Ehre und des Islams angetan wird. Anhand von Einzelschicksalen, die die Autorin der pakistanischen Presse entnommen hat, konfrontiert sie den Leser mit den Themen Frauenmord, häusliche Gewalt, Vernachlässigung und traditionelle Stammessitten. Bei Familienstreitigkeiten ist es etwa häufige Praxis, minderjährige Mädchen, teils Kleinkinder, als Kompensationszahlung an die Gegenpartei auszuliefern. Dort sind sie dann den Gelüsten ihrer Ehemänner schutzlos ausgeliefert und fris-ten nicht selten ihr Leben als Arbeitssklavin. All dies zusammengenommen lässt Udink zum Schluss kommen, dass Pakistan für Frauen das tödlichste Land der Erde sei. Sie nennt Zahlen, nach denen es ein Defizit von mindestens acht Millionen Frauen gäbe, was wiederum zu mehr Unterdrückung und Gewalt führe, weil Männer ohne Frauen noch gefährlicher seien.
Udinks schonungslose Art, die Aufmerksamkeit auf diese blinden Flecken der Berichterstattung zu richten, macht das Buch wichtig und lesenswert. Die Autorin schafft es, den oft wenig beachteten Berichten von Menschenrechtsorganisationen ein Gesicht zu geben. Das ist positiv, auch wenn in ihrem Buch in gleich zweifacher Hinsicht nicht drinsteht, was draufsteht: "Allah & Eva, der Islam und die Frauen" behandelt nämlich ausschließlich das Land Pakistan. Darüber hinaus geht es in der zweiten Hälfte des Buches auch nicht mehr vordringlich um Frauen, sondern um den weit verbreiteten sexuellen Missbrauch von Jungen, die Lage Trans- und Homosexueller, die Macht der Stämme sowie die Situation religiöser, ethnischer und politischer Minderheiten in Pakistan. Dazwischen finden sich tagebuchähnliche Passagen über das Leben der Autorin und ihrer Familie.
Negativ ist, dass Udink den Leser mit der Einordnung der vielen Eindrücke allein lässt. Sie richtet den Spot auf einzelne Personen und Begebenheiten und verliert dabei den Blick für das Ganze. So könnte sich der Leser beispielsweise fragen, wie es bei all dem geschilderten Frauenelend möglich war, dass Pakistan bereits in den 80er-Jahren mit Benazir Bhutto eine Regierungschefin vorweisen konnte.
Man erfährt nicht viel von dem spannungsvollen Nebeneinander einer kleinen reichen und fortschrittlichen Oberschicht, die das Bild nach außen prägt, und der Bevölkerung, die auf dem Land unter der Fuchtel von Stammesältesten ohne Bildung und Recht bleibt.
Ambivalente Reaktionen löst auch die Art der Darstellung aus. Udinks journalistischer, auch bissiger und zuweilen sarkastischer Blick auf das pakistanische Leben trägt den Leser einerseits rasch von Seite zu Seite. Andererseits geraten Passagen dabei dünkelhaft. Das ist etwa der Fall, wenn die Autorin sich darüber mokiert, dass es in ganz Islamabad keine Bergschuhe zu kaufen gibt und bei Sätze wie: "Kein Mensch in Pakistan weiß, wie eine Skipiste gepflegt werden muss".
In einem Punkt hat sie sicherlich ganz Grundsätzliches versäumt: Nämlich wenigstens auf die Interpretierbarkeit der textlichen und religionsgeschichtlichen Grundlagen des Islams hinzuweisen. Zu undifferenziert spricht Udink von "der" Scharia, als sei diese ein Gesetzeskompendium zwischen zwei Buchdeckeln, und "dem" Islam. Ist es Desinteresse, theoretischer Unkenntnis oder sogar Vorsatz, wenn die Autorin die pauschale Aussage, der Islam sei nicht gut für die Frauen - in einem spontanen Wortwechsel mit Pakistani so von ihr geäußert -, unkommentiert stehenlässt? Und das wohlgemerkt in einem Buch, das zumindest in der deutschen Ausgabe, den Untertitel "der Islam und die Frauen" trägt.
Allah & Eva. Der Islam und die Frauen.
Verlag C.H. Beck, München 2007; 233 S., 18,90 ¤