SATELLITEN
Eine immer ausgefeiltere Weltraum-Technik ist die Achillesferse der modernen Kriegsführung
"Das ist ja furchtbar. Ich bin schockiert" - mit diesen und ähnlichen Worten reagierten vor nunmehr einem Jahr Wissenschaftler in den Vereinigten Staaten auf einen Weltraumversuch Chinas. Die Chinesen hatten am 11. Januar 2007 mit einer kleinen ballistischen Rakete und einem Ramm-Geschoss ihren alten Wetter-Satelliten "Feng Jun 1C" (FY-1C) in zahllose Einzelteile zertrümmert, die den um die Erde kreisenden Weltraum-Müll weiter anwachsen ließen.
China hatte damit die prinzipielle Fähigkeit demonstriert, auch militärische Aufklärungs- und Kommunikations-Satelliten anderer Staaten im Krisen- oder Kriegsfall aus dem All zu holen. Dem entsprechend wurde nicht nur in den Vereinigten Staaten und Kanada, sondern auch in Japan, Taiwan, Australien, Südkorea und anderen Ortes erhebliche Besorgnis geäußert.
Kein Wunder: Denn ohne Weltraum-Aufklärung ist ein moderner Krieg kaum mehr zu führen. So erschien schon Ende 1984 im englischen Informationsdienst "Jane's Defense Weekly" eine Aufnahme, die damals den Sowjets außerordentlichen Ärger bereitete. Das Foto zeigte sehr detailliert einen großen russischen Flugzeugträger, der gerade im Schwarzmeer-Hafen Nikolajew gebaut wurde.
Seither hat die militärische Satelliten-Aufklärung gewaltige Fortschritte gemacht. Heute können mit neuer Technik ausgestattete, nur 1,50 Meter lange Teleskope mit einem Spiegeldurchmesser von nur 67 Zentimetern - wie etwa der von Lockheed Martin gebaute, 800 Kilogramm schwere Ikonos-1 - Bilder hoher Auflösung schießen. Die US-Militärs haben inzwischen Satelliten in Betrieb, die sogar nur wenige Zentimeter große Gegenstände am Erdboden erkennen können.
Zusätzlich wurde auch ein früherer Nachteil der Weltraum-Aufklärung ausgeschaltet: die Unfähigkeit bei dichter Wolkendecke oder nachts den Gegner beobachten zu können. Radar-Aufklärer, die den Erdboden mit Radarstrahlen abtasten, können heutzutage 24 Stunden am Tag Bilder liefern. Die Auflösung ist zwar noch nicht so gut wie bei den im sichtbaren Spektrum arbeitenden Geräten, erreicht aber doch schon 30 Zentimeter und weniger. Was der Verlust einer solchen Aufklärungs-Kapazität im Kriegsfall bedeutet, liegt auf der Hand. Die Militärs würden - verglichen mit den vorherigen Möglichkeiten - geradezu blind. Hinzu käme eine weitere substanzielle Einschränkung: Denn heute wird nicht nur im optischem und Radar-Bereich Aufklärung betrieben. So genannte ELINT-Satelliten (Electronic Intelligence) versuchen, jedes Funk- oder Telefongespräch der Gegenseite aufzufangen und sofort an die eigene Kommandozentrale zu übermitteln.
Auch die eigene, militärische Kommunikation läuft weitgehend über Satelliten - bei den US-Streitkräften schätzt man den Anteil auf etwa 70 Prozent. Würden auch diese Dienste durch Feindeinwirkung gekappt, würde die Lage für den satellitenlosen Feldherrn noch dramatischer. Und das ist nicht alles. Denn eine große Rolle spielen die Navigationssatelliten - wie etwa das militärische amerikanische Global Positioning System (GPS). Sie erlauben eine fast metergenaue Positionsbestimmung und sind mindestens so unverzichtbar wie die Aufklärungssatelliten. Sie steuern nicht nur Flugzeuge, Fahrzeuge aller Art und Schiffe - bis hin zur präzisen Positionsbestimmung von Atom-Unterseebooten mit ihrer tödlichen Fracht. Vielmehr werden auch Bomben, Marschflugkörper und die so genannte "intelligente Munition" mit ihrer Hilfe ins Ziel gelenkt. Last but not least käm auch in einem eventuellem Atomkrieg Satelliten die entscheidende Rolle zu. Denn es wären jeweils die so genannten Frühwarnsatelliten, die aufsteigende Atomraketen der Gegenseite zuerst entdecken und melden würden. Das Maß, in dem eine Kriegsführung schon heute von gut funktionierenden Satelliten abhängt, ist damit also schon außerordentlich umfangreich.
So wird denn auch geschätzt, dass die Amerikaner einschließlich ihrer militärischen Nachrichten- und Wettersatelliten derzeit etwa 100 Militärsatelliten in Betrieb haben dürften. Umso erfreulicher ist, dass bis heute noch keine Nation die Möglichkeit entwickelt hat, einen so genannten Pearl-Harbour-Angriff im Weltraum durchzuführen und einem Gegner mit einem groß angelegten Weltraum-Angriff schlagartig all seiner Satelliten zu berauben. Allerdings hat es in der Vergangenheit bereits Bestrebungen gegeben, Satelliten gegen Angriffe zu schützen. Dazu gehörten erste Experimente zur Panzerung von Satelliten gegen elektromagnetische Strahlung oder der Versuch, Satelliten die Möglichkeit zu geben, angreifenden Killersatelliten auszuweichen oder zu entfliehen.