KLIMAWANDEL
Regierungserklärung von Umweltminister Gabriel zur Konferenz auf Bali
Am Anfang stand ein Aufschrei: Nachdem eine Eisbärmutter im Nürnberger Zoo ihre beiden Jungen gefressen hatte - ein durchaus artgerechtes Verhalten - entschloss sich der Tierpark nach zahlreichen Protesten, ein drittes Eisbärenkind mit der Hand aufzuziehen. Und wie schon beim Berliner Eisbärbaby Knut legen seitdem die Fans von "Flocke" die Homepage lahm, gibt sich die Weltpresse ein Stelldichein und tausende von Tierliebhabern schicken Namensvorschläge für das niedliche Raubtier. Mit soviel Unterstützung können die Eisbären in der Arktis nicht rechnen. Sie sind vom Aussterben bedroht. In den nächsten Jahrzehnten könnten die weltweit 20.000 bis 25.000 ursi maritimi laut einer Studie der Weltnaturschutzorganisation IUCN Opfer des Klimawandels werden. Durch die Packeisschmelze aufgrund der globalen Erwärmung verlieren sie ihre Lebensgrundlage.
Der Patenonkel von Eisbär Knut, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), verzichtete bei seiner Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Klimagipfels von Bali auf die Darstellung von Horrorszenarien. Einen Monat nach der UN-Klimakonferenz zog er am 17. Januar im Bundestag eine überwiegend positive Bilanz. "Die letzte Klimakonferenz hat für die 2008 beginnenden Verhandlungen eine klare Richtung vorgezeichnet", sagte Gabriel. Er wertete es als Erfolg, dass sich auf Bali erstmals auch die Entwicklungsländer bereit erklärt hätten, Begrenzungen von Emissionen vertraglich zuzustimmen.
Damit aber auch die UN-Klimakonferenz 2009 von Kopenhagen, auf der ein Kyoto-Folgeabkommen verabschiedet werden soll, ein Erfolg werden könne, müsse noch eine "Kardinalfrage" beantwortet werden: "Ist es möglich, einen wirksamen Klimaschutz mit einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung zu verknüpfen?", fragte Gabriel in die Runde. Deutschland hat darauf nach seiner Meinung bereits eine gute Antwort gefunden: Das Energie- und Klimaprogramm der Großen Koalition. Von der Bundesregierung Anfang Dezember 2007 verabschiedet, wird das erste Maßnahmenpaket zurzeit im Parlament beraten, weitere Gesetze und Verordnungen sollen am 21. Mai beschlossen werden. Neben der Kraftwärme-Koppelung (KWK) gehören dazu unter anderem die Förderung der Erneuerbaren Energien sowie der Ausbau der Biokraftstoffe und eine bessere Energieeffizienz bei Gebäuden. Deutschland will seine CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent senken, bekräftigte Gabriel noch einmal in seiner Regierungserklärung. Nationale Alleingänge nutzen dabei jedoch wenig. Schon am Vortag im Umweltausschuss hatte der Minister betont, dass das geschlossene Verhalten der Europäischen Union wesentlich zum Verhandlungserfolg auf Bali beigetragen habe.
Weniger Harmonie zwischen den Mitgliedstaaten dürfte es im Moment hinter den Brüssler Kulissen geben: Am 23. Januar will die Kommission erklären, wie die 2007 beschlossene Europäische Klima- und Energiestrategie in die Tat umgesetzt werden soll. Die Frage, welchen Beitrag die Automobilindustrie dabei leisten soll, ist derzeit umstritten. Gabriel betonte, dass bei Autos am Ziel von 120 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer festgehalten werden müsse, erklärte aber, "dass die Kommission ihre jetzigen Vorschläge zur Umsetzung des 120-Gramm-Ziels überarbeiten muss".
Für den Umweltminister gilt der Schulterschluss: Erfolgreicher Klimaschutz muss mit einer erfolgreichen Wirtschaft einhergehen. Dies sei zum einen wichtig, um die Entwicklungs- und Schwellenländer einzubeziehen. Aber nicht nur ärmere Länder seien vom Klimawandel betroffen, sondern auch sozial schwache Bürger. Gerade die steigenden Energiekosten würden für Geringverdiener ein Prob-lem darstellen. Diese könnten trotz Fördermitteln nicht einfach ihre Wohnungen wärmedämmend ausstatten oder sich einfach ein neues, klimafreundlicheres Auto kaufen, sagte Gabriel. Er forderte daher die Einführung von Sozialtarifen bei den Stromversorgern. "In einem so reichen Land wie Deutschland darf es keine Energie- oder Brennstoffarmut geben", sagte Gabriel.
Die Opposition lobte in der anschließenden Aussprache zwar die Geschlossenheit der deutschen Delegation auf Bali, bewertete die Ergebnisse der Konferenz aber weniger positiv: "Es gibt keine Einigung darüber, wie viel CO2 denn überhaupt eingespart werden soll", monierte Michael Kauch (FDP). Er verwies darauf, dass die Zielvereinbarung nur in einer Fußnote stehe.
Gleichzeitig plädierte er dafür, dass es mehr Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geben müsse. "Der Clean-Development-Mechanism ist der Schlüssel dazu", sagte Kauch. Seine Fraktion hatte dazu einen Antrag eingebracht ( 16/7006). Darin wird eine Stärkung der CDM-Zertifikate gefordert. Mit diesen Emissionszertifikaten können Investoren aus Industriestaaten Emissionsgutschriften für Klimaschutzinvestionen in Entwicklungsländern erhalten.
Die Linke hatte sich hingegen in ihrem Antrag ( 16/77522) für einen vorübergehenden Stopp bei CDM-Projekten ausgesprochen. Insgesamt bewertete die Linke die Ergebnisse von Bali nach den Worten von Eva Bulling-Schröter als "mehr als ernüchternd". Sie forderte mehr Glaub- würdigkeit in der Debatte und wandte sich gegen den Neubau von Kohle- kraftwerken.
In diesem Punkt ging auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Umweltminister hart ins Gericht. Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte sowohl die Pläne für neue Kohlekraftwerke als auch die Haltung der Bundesregierung bei der europäischen Umsetzung des CO2-Ziels für Autos: "Das ehemalige VW-Aufsichtsratsmitglied Gabriel hat sich gegen den Umweltminister Gabriel durchgesetzt", sagte sie. Sie verwies darauf, dass derzeit der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Person in Deutschland höher sei als im EU-Durchschnitt.
Zum Abschluss hob Andreas Jung (CDU/CSU) die Rolle Deutschlands hervor - auf und vor der UN-Konferenz "Ich bin überzeugt, dass der Grundstein für diesen Erfolg in Bali die Präsidentschaften der Bundesrepublik Deutschland in der EU und in der G 8 waren." Dabei betonte er nochmals eine alte Forderung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), wonach Grundlage eines globalen, gerechten und effizienten Klimaschutzes sein solle, "dass langfristig jeder Mensch auf der Welt die gleiche Menge CO2 ausstoßen darf".