ERBSCHAFTSTEUER
Die FDP wertet die geplante Entlastung von Familienunternehmen als neue Belastung
Sie ist im Bundestag noch gar nicht angekommen, da schlägt sie bereits hohe Wellen: Mit der Beratung eines Antrags der FDP-Fraktion ( 16/7765), die Bundesregierung solle die geplante Erbschaftsteuerreform zurückziehen, hat der Bundestag am 25. Januar die erste Lesung des Regierungsentwurfs fast schon vorweggenommen. Die ist erst für den 15. Februar geplant. Zurzeit befasst sich der Bundesrat noch mit den Vorschlägen, die eine Kommission unter Leitung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) erarbeitet hatte.
Mit der Reform kommt die Regierung einer Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts nach, die Erbschaftsbesteuerung von Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben bis 2008 verfassungsfest zu machen. Das Gericht hatte die bisherige Wertermittlung der genannten Vermögensarten als nicht verfassungskonform erklärt. Die künftige Bewertung soll sich daher am "gemeinen Wert" orientieren.
Rund 4 Milliarden Euro bringt die Erbschaftsteuer den Ländern jährlich ein, und das soll auch in Zukunft so bleiben, wie der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Otto Bernhardt, deutlich machte. Eine ersatzlose Streichung der Erbschaftsteuer sei politisch nicht durchsetzbar und auch mit den Länderfinanzministern der Union nicht zu machen. Eines der Ziele der Reform ist es, den Übergang von mittelständischen Familienunternehmen zu erleichtern. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, nach 15 Jahren ihre Erbschaftsteuerschuld erlassen zu bekommen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Zunächst muss das Betriebsvermögen während dieses Zeitraums im Betrieb verbleiben, der Betrieb muss also von den Erben weitergeführt werden. Und die Lohnsumme darf in den ersten zehn Jahren seit der Vermögensübertragung nicht unter 70 Prozent der durchschnittlichen Lohnsumme der letzten fünf Jahre davor liegen. In diese "Verschonungsregelung" werden lediglich 85 Prozent des Betriebsvermögens einbezogen, die als "begünstigt" gelten. Die restlichen 15 Prozent sollen nach Abzug eines Freibetrags von maximal 150.000 Euro immer besteuert werden.
Um 750 Millionen Euro wird die Wirtschaft entlastet, sagte Otto Bernhardt. Um diese Summe an anderer Stelle wieder zu erwirtschaften, sollen einerseits zwar die Freibeträge angehoben, zugleich aber auch die Steuersätze erhöht worden. Nicolette Kressl (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, sagte, Ehepartner und eingetragene Lebenspartner hätten künftig einen Freibetrag von 500.000 Euro, Kinder von 400.000 Euro und Enkel von 200.000 Euro. Der engere Familienkreis werde also begünstigt, das normale Eigenheim könne steuerfrei übertragen werden. Für vermietete Häuser und Wohnungen, die nicht zum begünstigten Betriebsvermögen gehören, ist ein Abschlag von zehn Prozent auf den Verkehrswert vorgesehen.
Teurer soll es werden, wenn an Geschwister, Nichten, Neffen oder gar an Fremde vererbt wird. In den Steuerklassen II (erweiterter Familienkreis) und III (Nichtverwandte) wird der Freibetrag jeweils auf 20.000 Euro erhöht. Zugleich steigen aber auch die Steuersätze, und zwar für Erbschaften bis 6 Millionen Euro auf 30 Prozent und für höhere Erbschaften auf 50 Prozent.
Die Liberalen nennen das "Teilenteignung". Carl-Ludwig Thiele (FDP) machte darauf aufmerksam, dass sich für nichteheliche Lebensgemeinschaften der Steuerklasse III der Eingangssteuersatz nach Abzug des Freibetrages von zwölf auf 30 Prozent erhöht. Für Thiele ist die Reform daher keine Ent-, sondern eine Belastung des Mittelstandes und damit auch eine Steuererhöhung. Sein Fraktionskollege Hermann Otto Solms empfahl, die Gesetzgebungskompetenz für die Erbschaftsteuer nach Schweizer Vorbild auf die Länder zu übertragen, denen die Einnahmen ohnehin zufließen. Die Länder wollten sich aber lieber hinter dem Bundestag verstecken und dennoch kassieren.
Einige Redner in der Debatte bemühten das "Strucksche Gesetz", wonach kein Gesetz so aus dem Bundestag herauskommt, wie es hineingegeben wurde. Dass es zu Änderungen kommen wird, kündigten Christian Freiherr von Stetten und Michael Fuchs für die Union an. "Die Koch-Steinbrück-Kommission hat keinen Verfassungsrang", sagte von Stetten. "Eine 15-jährige Haltefrist ist nicht akzeptabel." Das stehe auch nicht im Koalitionsvertrag. Man werde nicht zulassen, dass Familienunternehmen ins erbschaftsteuerfreie Ausland getrieben werden.
"Wir hätten gern mehr Erbschaftsteuer", umriss Florian Pronold die Position der SPD-Fraktion. Wenn auf der einen Seite der Mittelstand und die Landwirtschaft bei der Erbschaftsteuer privilegiert werden sollen, dann müsse man auf der anderen Seite an die Privilegierung auch Bedingungen knüpfen, etwa die, dass der Betrieb und die Arbeitsplätze erhalten werden müssen. Pronold räumte ein, dass das Modell mit der 15-jährigen Haltefrist bürokratisch ist. "Wir hätten uns auch einfachere Modelle vorstellen können", sagte er.
Barbara Höll (Die Linke) sah bei der Erbschaftsteuer Potenzial für Einnahmen nicht nur von 4 Milliarden Euro, sondern von 6 bis 8 Milliarden Euro jährlich. Die 15-jährige Haltefrist stellt für sie allerdings eine "Überforderung des Steuerrechts" dar. Die Einnahmen aus der Steuer sollten dazu dienen, mehr soziale Gerechtigkeit herzustellen. Für Gerhard Schick von den Grünen ist die Erbschaftsteuer die "Klammer",die die in Arme und Reiche auseinanderdriftende Gesellschaft zusammenhält. Schick hielt höhere Freibeträge für den besseren Weg als das, was die Regierung vorschlägt.