In seinem früheren Leben hat Michael Meister die Umlaufbahnen von Satelliten kontrolliert: Bevor er 1994 für den Wahlkreis Bergstraße in den Bundestag einzog, arbeitete der promovierte Mathematiker im Operationszentrum der Europäischen Raumfahrtbehörde in Darmstadt. Als Finanzexperte der Union hat er es mit einer deutlich weniger berechenbaren Materie zu tun, wie die Immobilienmarktkrise in den USA zeigt, die immer mehr Bankhäuser auch in Europa in Turbulenzen stürzt. "Es ist schon merkwürdig, dass die Probleme außerhalb der eigentlichen Bankbilanzen stattfanden", findet der 46-Jährige mit dem markanten Schnauzbart. "Da fragt man sich schon: Kann es denn sein, dass wesentliche Risiken in der eigenen Bilanz gar nicht abgebildet werden?" Mehr Transparenz und eine aktivere - "die Amerikaner würden sagen: investigative" -Rolle der Finanzaufsicht fordert er deshalb. "Wir haben zwar überall nationale Aufseher, aber ein globales Problem. Deshalb brauchen wir eine bessere Zusammenarbeit der jeweils nationalen Finanzaufseher untereinander."
Seit Dezember 2004 ist Meister als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der Ansprechpartner in der Union in allen steuer- und finanzpolitischen Fragen. Für die breite Öffentlichkeit kam seine Ernennung zum Nachfolger von Friedrich Merz auf diesen Gebieten überraschend. Denn obwohl der zurückhaltende Hesse seit 2002 die Arbeitsgruppe Finanzen der Fraktion geleitet hatte, hatte er bis dahin doch immer im Schatten des rhetorisch brillanten Medienlieblings Merz gestanden. Doch Kenner des politischen Betriebs wussten Meisters Sachkenntnis schon damals zu schätzen. "Meister - der kann das", beschied etwa Kurt Faltlhauser, der damalige bayerische Finanzminister, lakonisch.
Inzwischen ist Meister zu einer Art Superfraktionsvize aufgestiegen - in der Union ist er seit November 2005 zuständig für die Bereiche Finanzen, Wirtschaft, Mittelstand und Haushalt. Bei den Koalitionsgesprächen saß er in allen wichtigen Verhandlungen mit am Tisch - und sorgte dafür, dass der Koalitionsvertrag ein eigenes Kapitel zum Finanzplatz Deutschland enthält. "Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben", erzählt der Vater von zwei kleinen Söhnen, der in seiner Freizeit gerne wandert, stolz.
Das Ziel ist hoch gesteckt: Deutschland soll im Wettbewerb mit Finanzplätzen wie New York oder London bestehen können. "Wir müssen das Signal geben: Wir wollen einer dieser führenden Finanzplätze sein, indem wir attraktive Rahmenbedingungen bieten", so Meister. Dazu sei dreierlei nötig: "Wir müssen zum einen dafür sorgen, dass die Produkte, die sich im Finanzbereich entwickeln, in Deutschland zugelassen werden. Das ist eine Frage des Rechtsrahmens. Zum zweiten müssen wir Innovationen zulassen. Nur wer der Erste oder Zweite am Markt ist, hat eine Chance, sich im Weltmarkt zu positionieren. Und schließlich brauchen wir qualifizierte Menschen in diesem Bereich."
Unternehmensteuerreform, Abgeltungsteuer, Einführung von börsennotierten Immobilien-Aktiengesellschaften ("Reits") in Deutschland - die Große Koalition sieht der begeisterte Briefmarkensammler auf gutem Wege, diese Rahmenbedingungen zu schaffen. Dass sich die finanzpolitischen Positionen der Union "nicht zu hundert Prozent" hätten durchsetzen lassen, erwähnt Meister eher beiläufig. Typisch für ihn, dem die ruhige Sacharbeit mehr liegt als das medienwirksame Poltern.
Auch innerhalb der eigenen Fraktion ist Meister keiner, der polarisiert. So wird ihm sowohl ein gutes Verhältnis zum hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch als auch zu Bundeskanzlerin Angela Merkel nachgesagt. Nicht unwahrscheinlich also, dass seine politische Karriere ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Er selbst, so versichert er, verschwende an solche Gedankenspiele allerdings keine Sekunde. "Ich bin der Meinung, man sollte die Möglichkeiten nutzen, die in der Aufgabe stecken, die man übernommen hat. Es ist viel sinnvoller, die Chancen der Gegenwart zu nutzen, als von der Zukunft zu träumen." Man nimmt ihm ab, dass er das ernst meint.