Die Klageflut bei den Sozialgerichten im Zuge der Hartz-IV-Reform könnte schon bald abebben. Der Bundestag beschloss am 21. Februar einen Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 16/7716) zur Änderung des Arbeits- und des Sozialgerichtsgesetzes. Ziel ist es vor allem, das sozialgerichtliche Verfahren zu straffen.
Für den in Details geänderten Entwurf stimmten die Fraktionen von Union, SPD und FDP. Die Fraktionen von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen votierten dagegen. Deren Kritik richtete sich vor allem gegen die geplante Anhebung des Schwellenwertes zur Berufung für natürliche Personen von 500 auf 750 Euro. Es sei ärgerlich, dass die Koalition dies gegen das Votum der Mehrzahl der Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchsetze, betonte die Linksfraktion. Für viele Betroffene entfalle damit die Überprüfung einer erstinstanzlichen Entscheidung, fügten die Grünen hinzu.
Die Koalitionsfraktionen werteten den Gesetzentwurf hingegen als ausgewogen und sozial verträglich. Die vom Bundesrat geforderte Zusammenführung der Gerichte der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit lehnten Union und SPD ab.
Hintergrund des Gesetzentwurfes ist die Zunahme von Klagen und die Überlastung der Sozialgerichte in den vergangenen drei Jahren. Mit Inkrafttreten der Hartz-IV-Reform Anfang 2005 war die Sozialgerichtsbarkeit für Verfahren zum Arbeitslosengeld II betraut worden.
Ziel des Entwurfs ist es unter anderem, die inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen an die Mitwirkung der Prozessbeteiligten zu verschärfen. Vorgesehen ist etwa, dass eine Klage als zurückgenommen gilt, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt.
An dieser Stelle präzisierten die Koalitionsfraktionen den Gesetzentwurf: Im Rahmen einer umfassenden richterlichen Aufklärung ist demnach neben dem Hinweis auf die drohende Verfahrenserledigung auch ein solcher auf die möglichen Kosten zu geben.
Bei mehr als 20 Verfahren, die die gleiche behördliche Maßnahme betreffen, soll das Sozialgericht einen Musterprozess ansetzen dürfen und dann über die einzelnen Verfahren durch Beschluss entscheiden, wenn es keine wesentlichen Unterschiede zum Musterprozess gibt. Für Landessozialgerichte soll darüber hinaus eine erstinstanzliche Zuständigkeit für solche Verfahren eingeführt werden, die übergeordnete Bedeutung haben und in denen die Sozialgerichte keine endgültig Streit schlichtende Instanz darstellen.
Die Koalition fügte hier auf Wunsch des Bundesrates ein, dass auch Streitigkeiten, die Landes- und Bundesverbände von Sozialversicherungsträgern, den Kassenärztlichen Vereinigungen und ihren Bundesvereinigungen betreffen, in erster Instanz den Landessozialgerichten zugewiesen werden. Dies gelte unter anderem auch bei Entscheidungen des Bundesgesundheitsministeriums gegenüber den Bewertungsausschüssen. Zuständig sei hier das Landessozialgericht Berlin.
Im Hinblick auf die arbeitsgerichtlichen Verfahren sieht der Entwurf vor, die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden stärken. So sollen ehrenamtliche Richter etwa bei der Verwerfung einer unzulässigen Berufung nicht mehr hinzugezogen werden. Zudem soll über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage nicht mehr in einem separaten Verfahren, sondern in Verbindung mit dem Kündigungsschutzprozess entschieden werden.
Arbeitnehmer können nach dem Willen der Koaliton ihre Klage wahlweise auch vor dem Arbeitsgericht erheben, in dessen Bezirk sie für gewöhnlich arbeiten. Dies komme vor allem Außendienstmitarbeitern zu Gute, die ihre Arbeitsleistung fern vom Firmensitz und dem Ort der Niederlassung erbringen, hieß es.