Den Deutschen Bundestag hat Roger Cloes immer im Blick. Von seinem Schreibtisch aus hat der Leiter des Referats mit dem geheimnisvollen Namen "Sonderprojekte" unverstellte Sicht auf Fotos, Zeichnungen und Lagepläne des deutschen Parlaments. Die für die tägliche Arbeit am häufigsten benötigte Grafik bildet dabei nicht nur das Gelände des Bundestages samt seiner Gebäude ab. Auf der detailgenauen Zeichnung ist auch das eingezeichnet, was "befriedeter Bezirk" heißt und den meisten eher unter dem früheren Namen "Bannmeile" bekannt sein dürfte. Das ist, kurz gesagt, die nahe Umgebung, eine Schutzzone des Parlaments, in der ohne Genehmigung weder Handel getrieben noch demonstriert werden darf. Und auch nicht gefilmt: Egal ob ein Dokumentationskanal die Geschichte des Reichstags aufarbeiten oder die Produktionsfirma von Tom Cruise die Kuppel des Reichstags im Bild haben wollen: Sie alle melden sich bei Roger Cloes.
Sein Referat bearbeitet auf Grundlage der Hausordnung und parlamentarischer Beschlüsse - unter anderem - alle Anfragen für Drehgenehmigungen wie alle Veranstaltungen im befriedeten Bezirk: vom Berlin-Marathon über das Weltkinderfest bis zu den Fanmeilen der Weltmeisterschaft. Geht es um die immer beliebter werdenden Dreharbeiten, wird nach der Nähe zum parlamentarischen Geschehen entschieden: Wer einen Film über das Grundgesetz dreht, hat größere Chancen, sein Team im befriedeten Bezirk zu postieren, als jemand, der Kuppel oder Reichstag lediglich als Kulisse für einen Werbefilm einsetzen will. "Einer", sagt Cloes, und ein Lächeln huscht über sein Gesicht, "wollte dort schon mit Nacktfotos für sein Produkt werben." Ein chancenloses Unterfangen.
Stärker noch als Instanz in Sachen Filmkulisse versteht sich das Referat als Kontaktstelle zwischen denen außerhalb und denen innerhalb des Parlaments. "Der Bundestag hat wunderbare Räume für Veranstaltungen", sagt Cloes, "sie zu nutzen wird natürlich immer beliebter." Jede Organisation, die beispielsweise das Foyer des Paul-Löbe-Hauses mit Platz für bis zu 2000 Gäste nutzen möchte, klopft bei Cloes an. Die Vergabe wird streng gehandhabt: "Ohne unmittelbaren parlamentarischen Bezug gibt es keine Genehmigung", erläutert Cloes, "außerdem benötigt man die Unterstützung eines Bundestagsausschusses." Bei Veranstaltungen im Paul-Löbe-Haus, einem Zentrum der Abgeordnetenarbeit, gilt außerdem: Alle Fraktionen, die dort in ihrer Arbeit gestört werden könnten, müssen zustimmen. Die Entscheidungshoheit über all die Anfragen zur Nutzung der Räumlichkeiten des Deutschen Bundestags hat der Hausherr: der Bundestagspräsident.
Ist eine Genehmigung erteilt, geht erst recht nichts mehr ohne Cloes und seine Mitarbeiter. Sie stellen den Kontakt zu Gebäude- und Informationstechnik, Logistik, Zentraler Beschaffung und dem Sicherheitsdienst, der Polizei- und der Presseabteilung her. Sie erstellen den Produktionszeitplan, der verbindlich für die Vorbereitung und den Ablauf einer Veranstaltung ist. Wie viele Menschen bei einem Event in oder um den Bundestag eingebunden werden müssen, können sich Außenstehende kaum vorstellen. Cloes macht es an einem Beispiel klar: Wenn unter der Schirmherrschaft des Bundestagspräsidenten ein Baum vor der Bundestags-Kita gepflanzt wird, dann wird im Vorfeld nicht nur Norbert Lammert kontaktiert. Sondern auch: die Leiterin der Kindertagesstätte und die Eltern, Kinderkommission und Gärtner, Sozial- und Pressereferat, Polizei und Sicherheitsdienst, Baureferat, Grünflächenamt und Verkehrslenkung Berlin.
Dennoch ermöglichen Cloes und seine Leute, was sie können: "Es ist ja richtig, dass der Bundestag sich öffnet," sagt Cloes. Kompliziert wird es immer dann, wenn mehrere Termine kollidieren: zum Beispiel der Berlin-Marathon mit den Bundestagswahlen, wie 2005 durch die außerplanmäßigen Neuwahlen geschehen. Doch auch da fand man eine Lösung, in der Platz für Läufer und Übertragungswagen aus aller Welt war. Kein Wunder, dass das Motto des Referatsleiters lautet: "Planung ist schön - aber jeder Plan muss auch geändert werden können."