KOMMUNIKATION
Vorbehalte gegen Reformpaket der EU
Es war eine Premiere im Bundestag. Zum ersten Mal ist während einer laufenden, nichtöffentlichen Ausschusssitzung eine Abgeordnete des Europaparlaments per Videokonferenz live aus Brüssel zugeschaltet worden, um mehr als eine Stunde lang im Dialog mit dem Ausschuss zu beraten. Der Wirtschaftsausschuss hat am 7. Mai beispielhaft demonstriert, dass Beratungen des gleichen Themas in den Parlamenten nicht mehr isoliert stattfinden müssen, sondern dass eine koordinierte Beratung möglich ist. Das Beispiel könnte Schule machen.
Auf dem Bildschirm im Berliner Sitzungssaal zu Gast war die Vorsitzende des Industrieausschusses des Europäischen Parlaments, die deutsche Abgeordnete Angelika Niebler von der christdemokratischen EVP-ED-Fraktion. Sie informierte den Wirtschaftsausschuss über die Beratung eines Reformpakets der EU-Kommission zur Ausgestaltung von elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (EU-Ratsdokumente Nr. 14872/07, 15365/07, 15371/07, 15379/07, 15387/07 und 15408/07) am 6. Mai im Industrieausschuss.
Vorgesehen ist unter anderem die Einrichtung einer Europäischen Behörde für die Märkte der elektronischen Kommunikation (ECCMA). Die Behörde soll jene ordnungspolitischen Aufgben der nationalen Regulierungsbehörden ergänzen, bei denen nach Ansicht der EU-Kommission eine Abstimmung auf europäischer Ebene notwendig ist. Nach Angaben Nieblers hat der Industrieausschuss "massive Kritik" an diesem Vorschlag geäußert und als Alternative ein Gremium namens "Body of European regulators of Telecom" (BERT) vorgeschlagen, das Empfehlungen, aber keine bindenden Stellungnahmen abgeben soll. Union, SPD und FDP wiesen den Vorschlag zurück und plädierten für eine bessere Koordination der nationalen Regulierer. Die EU-Pläne sehen auch ein Vetorecht der Kommission vor, wenn ein nationaler Regulierer von Vorgaben aus Brüssel abweicht. Hier habe der Industrieausschuss ein abgestuftes Verfahren vorgeschlagen, wonach die Kommission im Zusammenspiel mit nationalen Regulierungsbehörden entscheiden solle.
Weiterer Streitpunkt ist die "funktionale Trennung". Danach sollen die Regulierungsbehörden Unternehmen verpflichten können, zwischen Netzbetrieben und Telekommunikationsdiensten zu trennen. Schließlich sollen einheitliche Mechanismen bei der Vergabe von Frequenzen geschaffen werden. Union, SPD und FDP signalisierten auch hier Skepsis bis Ablehnung.
Für die Grünen stand im Vordergrund, wie der Rundfunk bei der Frequenzvergabe behandelt werden soll. Die Linke will die Breitbandversorgung zu einer Leistung machen, die flächendeckend bereitgestellt werden muss. Laut Angelika Niebler soll das Reformpaket noch vor Ende der Wahlperiode des Europaparlaments 2009 in Kraft treten. Der Wirtschaftsausschuss nahm auf Antrag der Koalitionsfraktionen eine Entschließung an und lehnte einen FDP-Entschließungsantrag ab.