Bahnreform
Koalition legt Antrag zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG vor
Ein Anfang ist gemacht: Die Deutsche Bahn AG (DB AG) soll teilweise privatisiert werden. Nach jahrelangem Gezerre legten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD dazu einen Antrag vor, der am 8. Mai erstmals im Bundestag beraten wurde. Danach bleiben das Schienennetz und die Bahnhöfe vollständig im Eigentum des Bundes. Privates Kapital soll mit 24,9 Prozent an den Bereichen Verkehr und Logistik der DB AG beteiligt werden. Dazu gehören unter anderem die Auslandsbeteiligungen der Bahn sowie die Logistikunternehmen Schenker (Straße) und Railion (Schiene).
Dafür sollen der Güter-, der Fern- und Regionalverkehr sowie die dazu gehörigen Dienstleistungen der DB AG zu einer eigenen Gesellschaft zusammengefasst werden. Diese Struktur soll in einem Beteiligungsvertrag des Bundes mit der DB AG geregelt werden, so die Koalitionsfraktionen. Ein eigener Gesetzentwurf sei nicht notwendig. Die rund 230.000 Arbeitsplätze der DB AG sollen auch nach dem Börsengang langfristig gesichert bleiben.
Aus den Veräußerungserlösen werden rund 8 Milliarden Euro erwartet, die zu etwa gleichen Teilen für ein Innovations- und Investitionsprogramm für den Schienenverkehr, für eine Aufstockung des Eigenkapitals der DB AG und für den Bundeshaushalt verwandt werden sollen. Die Bahn soll die neuen Mittel für Lärm mindernde, Energieeffizienz steigernde und Netz verbessernde Maßnahmen sowie Investitionen in ihre Bahnhöfe nutzen.
"Dies ist ein gutes Ergebnis auf Initiative der SPD", erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Klaas Hübner. "Wir haben damit gezeigt: Die SPD ist regierungsfähig und regierungswillig, und diese Koalition hat Gestaltungskraft." Bei ihren Überlegungen habe die Koalition immer die Ziele verfolgt, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, ein wettbewerbsfähiges Unternehmen Deutsche Bahn AG zu erhalten und den 230.000 Beschäftigten der Bahn einen sicheren Arbeitsplatz zu geben, und zwar ohne den Bundeshaushalt zusätzlich zu belasten.
Mit dem Antrag werde ein Modell für die DB AG skizziert, das zukunftsweisend sei. Es sei sichergestellt, dass die Infrastruktur (Bahnhöfe, Schienen und Energieversorgung) zu 100 Prozent im Bundeseinfluss bleibe. Lediglich von den Verkehrsbetrieben würden bis zu 24,9 Prozent an private Investoren veräußert. Gewinner seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DB AG, weil dafür gesorgt sei, dass 15 Jahre lang keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden könnten, so Hübner. Die Privatisierung von 24,9 Prozent der Betriebsgesellschaften bezeichneteHans-Peter Friedrich (CDU/CSU) als Einstieg in die richtige Richtung. Demgegenüber hätten sich die Sozialdemokraten auf 24,9 Prozent festgelegt.
Auf scharfe Kritik stießen die Pläne der Koalition bei den Oppositionsfraktionen. So meinte Horst Friedrich (FDP), es grenze "schon fast an Frechheit", die Koalitionsvorlage als Lösung der Probleme für die Deutsche Bahn AG verkaufen zu wollen. Angeblich wolle die Koalition mehr Wettbewerb auf der Schiene schaffen, aber nach Meinung des FDP-Politikers würde der Wettbewerb besser funktionieren, wenn es eine 100-prozentige Verantwortung für das Schienennetz direkt durch den Staat gebe.
Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, warf der Koalition vor, ihr 1993 gegebenes Versprechen zu brechen, dass der Bund 100-prozentiger Eigentümer der Bahn bleiben werde. Die jetzt geplante Privatisierung der Bahn öffne eine Tür, und dann werde die Enteignung weiter fortschreiten. Die Bahn gehöre zu der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie müsse im öffentlichen Eigentum stehen, weil es um ökologische und soziale Ziele gehe. Es gehe darum, dass sich auch in Zukunft Sozialhilfeempfänger eine Bahnfahrt leisten können. Ein Privater werde dies nicht subventionieren. "Das ist der eigentliche Skandal", sagte Gysi.
Auch Winfried Herrmann von Bündnis 90/Die Grünen warnte vor "fatalen Konsequenzen" für die Bahnkunden und den Schienenverkehr vor allem im ländlichen Raum. Das Regierungsmodell sei ein Etikettenschwindel, weil die Koalition nicht wirklich Markt zulasse und das Eigentum des Bundes nicht wirklich geschützt werde. Die Koalition mache nichts für den Wettbewerb und stärke die Monopolisten. In ihrem eigenen Antrag ( 16/9071) zur Bahnreform fordert die Fraktion eine Trennung von Netz und Verkehr, weil nur so ein diskriminierungsfreier Zugang zum Schienennetz möglich sei.
Öffentliche Anhörung Für Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sind die Pläne eine gute Lösung. Er wies die Oppositionsvorwürfe zurück, mit der Teilprivatisierung werde eine Enteignung und Zerschlagung der Bahn zulasten der Kunden vorangetrieben. Dies sei nichts anderes als Schwarzmalerei. 14 Jahre nach der Bahnreform stehe die DB AG jetzt vor neuen Herausforderungen. Das Schienennetz stoße erkennbar an Kapazitätsgrenzen und die Lärmbelastungen würden wachsen. Das vorgelegte Konzept sei die richtige Antwort auf diese Herausforderungen. Zur Teilprivatisierung der Bahn wird der Verkehrsausschuss am 26. Mai eine öffentliche Anhörung organisieren. Nach der Beratung im Ausschuss soll sie am 30. Mai vom Bundestag verabschiedet werden.