EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT
Sarkozys Planung gerät nach dem irischen Referendum durcheinander
Zynisch ausgedrückt hat Frankreich nach dem irischen Nein zum Lissabon-Vertrag eine Sorge weniger. Denn es wäre der französischen Präsidentschaft zugefallen, die institutionellen Änderungen rechtzeitig zum 1. Januar 2009 in die Wege zu leiten. Da sich aber der Vertrag zu vielen wichtigen Details wie dem Aufgabenbereich des neuen EU-Ratspräsidenten und der Zusammensetzung des Europäischen Diplomatischen Dienstes ausschweigt, hätte das für jede Menge Krach sorgen können. Den Punkt "Umsetzung des Lissabon-Vertrages" kann Frankreich nun von der Aufgabenliste seiner sechsmonatigen Präsidentschaft streichen.
Doch es bleibt auch so genug zu tun. Schon am 11. Juli fährt Europaminister Jean-Pierre Jouyet nach Irland. "Man muss sehen, was die Iren wünschen," sagte er in Brüssel und fügte hinzu: "Nach dieser Sondierungsphase müssen sie erneut befragt werden. Das ist delikat. Ich kann heute noch keinen Zeitplan nennen, aber es wird ein wichtiges Element der französischen Ratspräsidentschaft", erklärte Jouyet.
Frankreich muss außerdem dafür werben, dass die Ratifizierung in den sieben noch ausstehenden Ländern weiter geht. Doch ausgerechnet Schweden und Tschechien zögern noch, die gemeinsam mit Frankreich das Programm der 18monatigen Triopräsidentschaft bestreiten, auch in Deutschland steht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus.
Staatspräsident Sarkozy ist allerdings nicht der Typ, der sich von solchen Widrigkeiten aus dem Konzept bringen lässt. Unmittelbar nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten begann er vor einem Jahr damit, seinen großen Auftritt als Vorsitzender der Europäischen Union zu planen. Seine Ankündigung, er wolle Frankreich "in die militärische Struktur der NATO zurückführen", sorgte zunächst für große Überraschung. Schnell wurde aber klar, dass es ihm dabei vor allem um die europäische Verteidigungspolitik ging. Die soll unter französischer Ratspräsidentschaft an Schub gewinnen. Die NATO-Vollmitgliedschaft soll die osteuropäischen Mitgliedstaaten beruhigen und belegen, dass die französische Initiative nicht antiamerikanisch ausgerichtet ist.
Das Logo fürs französische Halbjahr stellte Außenminister Bernard Kouchner schon Anfang Juni der Öffentlichkeit vor. Auch die Website ist bereits verfügbar - so eifrig war noch keine Ratspräsidentschaft zuvor. Obwohl kein einziger zusätzlicher Beamter eingestellt wurde, wird der geplante Veranstaltungsmarathon 190 Millionen Euro verschlingen. Das Budget ist damit drei Mal so hoch wie bei der vergangenen französischen Ratspräsidentschaft.
Als eigentlichen fulminanten Auftakt seines Semesters plant Sarkozy am 13. Juli die Konferenz der südlichen Mittelmeeranrainer gemeinsam mit den Mitgliedern der EU. Einen Tag vor dem französischen Nationalfeiertag will er die Mittelmeerunion aus der Taufe heben, die die Partnerschaft mit den Nachbarn im Süden auf eine neue Grundlage stellen soll.
Doch das ist nur der Anfang. Mittelfristig will Sarkozy alle europäischen Partner in einen "Migrationspakt" einbinden. Damit soll sichergestellt werden, dass Einwanderer überall in Europa nach den selben Regeln behandelt werden. Das sollen möglichst die französischen Regeln sein. Sarkozy will Illegale konsequenter als bisher abschieben. Zudem möchte er deutlich weniger Aufenthaltspapiere ausgeben als es zum Beispiel die spanische Regierung tut und legale Einwanderung nach einem bestimmten Schlüssel auf die EU-Mitgliedstaaten verteilen. Doch diese Pläne haben ohne Lissabon-Vertrag keine Chance. Denn nach jetziger Vertragsgrundlage ist dafür Einstimmigkeit erforderlich. Es dürfte Sarkozy nicht gelingen, 26 Regierungen für seine Pläne zu gewinnen. Auch Sarkozys Vorzeigeprojekt Mittelmeerunion ist noch längst nicht unter Dach und Fach. Viele Details müssen noch ausgehandelt werden, zum Beispiel ob ein neues Sekretariat geschaffen wird, wer den Vorsitz im neuen Club führt und wo das Geld für die gemeinsamen Projekte herkommen soll. Libyens Staatschef Gaddhafi hatte der Mittelmeerunion zunächst ebenfalls eine Abfuhr erteilt. Doch vergangenen Mittwoch verriet Sarkozys "Mittelmeer-Sonderbotschafter" Jacques Huntzinger in Brüssel, dass "alle Anrainerstaaten auf sehr hohem Niveau vertreten sein werden - mit Ausnahme von allenfalls ein, zwei Ländern".
Nach einem glänzenden Auftakt in der Nacht zum 1. Juli wird sich auch Sarkozy den trockeneren europäischen Themen widmen müssen. Die Internationale Finanzkrise wird ihn ebenso beschäftigen wie die Preisexplosion bei Rohstoffen und Energie. Die Franzosen ächzen unter den hohen Kosten - die Inflationsrate ist die höchste seit 17 Jahren.
Vor allem aber wird Sarkozy die Mitgliedsländer auf verbindliche Klimaziele verpflichten müssen, damit die EU beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen nicht mit leeren Händen dasteht. Der mit Bundeskanzler Merkel ausgehandelte Kompromiss zum CO2-Ausstoß bei Pkw zeigt bereits, dass der Klimaschutz in beiden Regierungen in den Hintergrund tritt, wenn die heimische Industrie darunter leiden würde. Auf PFUE (Présidence Francaise de l'Union Europeenne) haben sich die Werbestrategen im Elysée als Kürzel für die französische Ratspräsidentschaft geeinigt.
Es hat ihnen wohl keiner gesagt, dass dieses Akronym nur allzu leicht mit dem deutschen Wort "Pfui" verwechselt werden kann. Ob das eine französische Ratspräsidentschaft wird, die außen hui ist und innen pfui wird man aber erst Ende Dezember beurteilen können.