Für junge Männer, die darauf spekulierten, als Kriegsdienstverweigerer keinen Ersatzdienst leisten zu müssen, brachen vor 35 Jahren schlechte Zeiten an. Ohne Aussprache hatte der Deutsche Bundestag am 18. Mai 1973 einstimmig das Gesetz über die Gleichstellung von Wehr- und Zivildienst verabschiedet. Am 1. Juli trat damit ein Gesetz in Kraft, mit dem das bisherige Ersatzdienstgesetz in wesentlichen Punkten reformiert wurde. Es hatte zum Ziel, möglichst viele Zivildienststellen zu schaffen, um möglichst alle Kriegsdienstverweigerer zu einem Ersatzdienst verpflichten zu können. Dadurch sollte ein größeres Maß an Gerechtigkeit zwischen Wehr- und Zivildienst geschaffen und dem Eindruck, Kriegsdienstverweigerer seien durch ihre Haltung gegenüber Kriegsdienstleistenden im Vorteil, entgegengewirkt werden.
Kurz vor Verabschiedung des Gesetzes war eine Trendwende bei der Zahl der Kriegsdienstverweigerer bekannt geworden. Zum ersten Mal war die Anzahl der eingereichten Anträge im April 1973 geringer als im gleichen Monat des Vorjahres. Während im April 1972 unter Berufung auf das Grundgesetz noch 3045 Männer den Antrag stellten, waren es 1973 nur noch 2899. Dies entsprach einem Rückgang von fast fünf Prozent. Seit November 1972 verringerte sich die Zahl der Antragsteller konstant.
Der damalige Beauftragte der Bundesregierung für den zivilen Ersatzdienst, Hans Iven (SPD), warnte allerdings davor, die Entwicklung zu optimistisch zu beurteilen. Er äußerte die Ansicht, im Rückgang der Antragsteller mache sich bemerkbar, dass inzwischen schon jeder zweite der anerkannten Verweigerer damit rechnen müsse, einen Ersatzdienst zu leisten. "Derzeit stehen etwa 12.500 Plätze zur Verfügung", teilte Iven mit. Mit Inkrafttreten des ergänzenden Zivildienstgesetzes am 1. September wurden bis zum Jahresende 16.000 Plätze bereitgestellt. 1974 kamen weitere 4000 Stellen hinzu, denen allerdings noch immer mehr als 30.000 Kriegsdienstverweigerer gegenüberstanden.