Das britische Empire
Peter Wende über die wechselvolle Geschichte einer Weltmacht
Preußens König Friedrich II. war auch nur ein strategischer Spielball im britischen Seemacht-Kalkül. Premierminister William Pitt überzeugte das Londoner Parlament, jährlich 675.000 Pfund an Friedrich zu zahlen - eine Summe, so hoch wie das preußische Steueraufkommen. Der Preußenkönig finanzierte damit seinen Siebenjährigen Krieg und eroberte Schlesien. Für England zahlte sich dieser kostspielige Deal strategisch aus, weil damit der große Konkurrent um die Weltmacht, Frankreich, an den europäischen Kontinent gefesselt wurde. Was aus deutscher Sicht als Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht erscheint, war für England ein Nebenkriegsschauplatz. Kolonien, Handel und Seemacht des Empire konnten dadurch im 18. Jahrhundert zu einem ersten Höhepunkt aufsteigen.
In einem Mix aus kontinentaler und Blue-Water-Strategie gelang es dem Staatsmann Pitt, Europa mit einem Gleichgewicht der Mächte zu stabilisieren und gleichzeitig als Seemacht die Welt zu beherrschen: "Rule Britannia, Britannia rule the Waves", heißt es in der bis heute gesungenen Hymne von 1740 (Herrsche Britannia, beherrsche die Meere). Mit dem Frieden von Paris 1763 entmachtete England mit seinen sechs Millionen Einwohnern schließlich das vermeintlich stärkere Frankreich mit seinen 26 Millionen. Dieses erste, merkantile Empire (1607-1783) war jedoch nicht aus einer Idee von Ministern oder Königen erwachsen, sondern private Siedler-Aktiengesellschaften und Handelsgesellschaften, wie die legendäre Ostindien-Kompagnie, schufen sich ihre kolonialen Außenposten. Der Frankfurter Historiker Peter Wende beschreibt in seinem spannenden Buch "Das britische Empire" diese Wechselspiele von individuellen Unternehmungen und staatlicher Politik - Public-Private-Partnership als Erfolgsmodell einer Weltmacht.
Erst mit Pitt bekam das Empire eine neue, eine politische Qualität, wurde es zu einem Reich, dass nicht allein Absatzmärkte und Rohstoffimporte weltweit absicherte, sondern auch ferne Länder und Völker beherrschte, seien es die "Eingeborenen" weiter Landstriche des indischen Subkontinents oder französische Auswanderer in Kanada. Zwei Jahrzehnte nach dem Höhepunkt endet 1783 das erste Empire mit der Unabhängigkeit der dreizehn amerikanischen Kolonien und der Gründung der USA. Dagegen blieb das ehemals französische Kanada Teil des (zweiten) Empire. Das Schwergewicht des politischen und ökonomischen Interesses Englands richtet sich fortan auf den indischen Subkontinent. Getrieben vom missionarischen Eifer einer "populären Rassenlehre" wurden im 19. Jahrhundert auch afrikanische Kolonien von Südafrika bis Ägypten vermeintlich zivilisiert, mittels einer indirekten Herrschaft, die auf der Kollaboration mit lokalen Eliten baute.
Im Unterschied zu Frankreich, das in Indochina und Algerien blutige Kriege führte, verlief der Rückzug Britanniens aus seinen Kolonien nach 1945 weitgehend friedlich ab. Unterm Strich bleibt es umstritten, ob die koloniale Rechnung aufgegangen ist. Gewinnen aus Rohstoffen, Exporten und Investitionen stehen Kosten für Verwaltung und militärische Sicherung des Empires gegenüber. Seinen Beherrschten hinterließ Großbritannien Infrastruktur und die Sprache der Globalisierung, aber auch Monokulturen und Hungerkatastrophen.
Unstrittig ist jedoch die aktuelle Wirkungsmächtigkeit der beiden Empires. Mit dem Nachfolger Commonwealth existiert in Politik, Kultur, Ökonomie und Wissenschaft ein globales Netzwerk. Mit dem Empire wurde ein Pfad beschritten, der die angelsächsische Neigung zum globalen Finanzkapitalismus erklärt, und ohne den der Krieg im Irak, bis 1955 britisches Einflussgebiet, oder die Haltung Londons zur Europäischen Union nicht zu verstehen sind. Mit seinem rundum gelungenen Buch gewährt Peter Wende eine Erklärung für diese und andere Ausprägungen britischer Mentalität und Politik.
Das britische Empire. Geschichte eines Weltreichs.
Verlag C. H. Beck, München 2008; 367 S., 24,90 ¤