LehrerBildung
Eine Reform ist längst überfällig
Als Udo Rauin Anfang des Jahres eine neue Lehrerstudie heraus brachte, war das Geschrei groß. In einer Langzeitstudie fand der Pädagogikprofessor heraus, dass das schlechteste Drittel der Abiturienten Lehrer werden will und die meisten das Lehrerstudium nur als Verlegenheitsfach wählen. Zudem zeigten schon die Lehrerstudenten typische Anzeichen für "Burn Out". Rauins Schluss: "Die über besondere Belastungen klagenden [Lehrer] haben vermutlich nie 'gebrannt'." Und jüngst stellte er zu den Praxiserfahrungen von angehenden Lehrern in Schulklassen fest: "Viele haben sehr früh bemerkt, dass diese Praktika ein Horror für sie sind und dass sie inkompetent sind - das hat sie aber nicht abgeschreckt in ihrem Beruf weiter zu machen."
Sind die deutschen Lehrer also schon als ungeeignet einzuschätzen, ehe sie in ihren Beruf kommen? Der Schluss ist in dieser Pauschalität sicher nicht zu ziehen. Der Frankfurter Forscher hatte 1.100 Lehramtsstudenten für Grundschulen in Baden-Württemberg beobachtet. In ganz Deutschland gibt es aber fast 800.000 Lehrer - für eine Vielzahl von Schulformen. Was Rauins Ergebnisse stützt, sind andere Studien, die durchaus in eine ähnliche Richtung zeigen. Neun von zehn Lehrern geben den Job auf, bevor sie ins Pensionsalter kommen.
Bei genauerer Betrachtung verbietet sich aber jeglicher Spott über die Lehrer. Seit der Veröffentlichung der ersten Pisastudie (2001), die den stark selektiven Charakter der deutschen Schule im internationalen Vergleich verdeutlichte, richtete sich die Aufmerksamkeit der Beobachter auf ein existenzielles Dilemma der Lehrer. Sie selbst verfolgen ihr Berufsethos, jedes Kind in seinen Stärken zu fördern. Die gegliederte Schule zwingt die Lehrer aber spätestens ab der vierten Klasse dazu, nach den Schwächen der Kinder zu suchen - denn sie müssen ja in viele verschiedene Schulformen sortiert werden.
In keinem anderen Land der OECD gibt es eine so hohe Zahl an Sitzenbleibern und Schulabsteigern. Viele Experten bezeichnen das inzwischen als eine systematische Produktion von Bildungsverlierern. Zwar haben die Kultusminister sofort nach Erscheinen der ersten Pisastudie versprochen, die Lehrerbildung als zentrales Thema guter Schule anzugehen. Doch es ist nichts passiert: Selbst unter den Kultuspolitikern gibt es inzwischen massive Kritik an der Unfähigkeit, die Lehrerbildung zu verbessern: "Ich halte es für hochproblematisch, wie wir mit den Berufschancen von Studierenden umgehen", sagt etwa der Vorsitzende der Lehrerarbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz, Winfried Willems (CDU). Wenn es nicht zügig gelinge, bei der Lehrerbildung übereinzukommen, "dann haben wir ein richtiges Desaster, dann kann man die KMK auflösen".
Der Autor ist Redakteur der tageszeitung "taz". Er hat vor kurzem das Buch "Schlaue Kinder, schlechte Schulen" veröffentlicht.