Bundestag
Die Internetportale »mitmischen« und »Kuppelkucker« sorgen für den richtigen Durchblick
Gesetzesinitiative, erste Lesung, Vermittlungsausschuss: Wie, um Himmels willen, soll man einem ABC-Schützen erklären, was im Bundestag passiert? Am besten gar nicht, denken vielleicht manche Eltern oder Grundschullehrer - weil sie selbst eher verschwommene Erinnerungen aus dem Politikunterricht in der Schule haben.
Kein Wunder: Vor nicht allzu langer Zeit begann politische Bildung in einem Alter, in dem Jugendliche andere Dinge im Kopf haben als den Gang der Gesetzgebung. Komplizierte Schaubilder, verschwommene Schwarzweißfotos von älteren Herren in tristen Sitzungsräumen, abstrakte Erläuterungen aus der Feder von Politikprofessoren - für pubertierende Jugendliche wahrlich kein Anreiz, sich für parlamentarische Abläufe zu begeistern.
Seither hat sich eine Menge geändert. Die politische Bildung hat die Kinder als Zielgruppe neu entdeckt. Und sie hat festgestellt, dass sich Jugendliche sehr wohl für Politik interessieren lassen. Man muss nur die richtigen Vermittlungsformen finden. Und je interaktiver die Angebote, desto besser.
Auch der Bundestag hat die Zeichen der Zeit erkannt. Vor vier Jahren ging "mitmischen" online, das Jugendportal des Bundestages. Der Name ist Programm: Bei "mitmischen" geht es nicht nur darum, sich über die Arbeit des Bundestages zu informieren - auch wenn natürlich jede Menge Hintergrundinformationen über Geschichte, Organisation und Arbeitsweise des Parlaments zur Verfügung gestellt werden. Die Jugendlichen sollen auch selbst aktiv werden, mitmischen in der Welt der großen Politik. In Foren, Chats oder Votings können sie über kontroverse Themen diskutieren und sich über aktuelle politische Ereignisse austauschen.
Herzstück der Seite ist der einstündige Live-Chat mit Abgeordneten aller Fraktionen über ein Thema, das von den Usern einmal im Monat in Absprache mit der Redaktion festgelegt wird. "Religion & Glaube" hieß es im Juni, im Mai ging es um "Sucht & Drogen".
Ein besonderes Angebot: "Der direkte Kontakt mit Abgeordneten ist das Besondere an ‚mitmischen'", sagt Nathalie Hillmanns-Weis, zuständige Referentin für Online-Dienste beim Bundestag. Ein Angebot, das von den Jugendlichen gerne angenommen wird: Etwa 6.500 User - im Schnitt zwischen 15 und 21 Jahre alt - sind Mitglied der "Mitmischen"-Community und mischen mal mehr, mal weniger aktiv mit.
Doch nicht nur bei den Jugendlichen erfreut sich die Community zunehmender Beliebtheit. Auch etwa 150 Abgeordnete aller Fraktionen gehören ihr inzwischen an - gemeinsam bilden sie die "Fraktion Mitmischen". Für die Parlamentarier, so Hillmanns-Weis, sei der Austausch mit den "Mitmischern" via Internet der direkte Draht zur jungen Generation in Deutschland.
Es ist diese Interaktivität, da sind sich die Macher einig, die "mitmischen" so erfolgreich macht: Im Schnitt kommt die Seite im Monat auf 200.000 Klicks. Deshalb wurden beim Relaunch im vergangenen Jahr weitere interaktive Elemente eingebaut: Blogs von Abgeordneten, Videoclips und das Web-TV-Angebot des Bundestages. Mit dem neuen Gesetz-Tracker können die User zudem den Stand und die Stationen verschiedener Gesetzentwürfe mitverfolgen.
Weniger interaktiv, aber - was die Klickzahlen betrifft - genauso erfolgreich wie "mitmischen" ist "Kuppelkucker", das Kinderportal des Bundestages - für Hillmanns-Weis ein Beweis, dass sich bereits Kinder für Politik begeistern lassen: "Kinder sind neugierig, offen, sie haben keine Vorurteile."
Diese Neugier macht sich "Kuppelkucker" zunutze. Die Seite, die 2007 an den Start ging, führt die kleinen Bürger spielerisch an die große Politik heran. Besonders wichtig ist den Verantwortlichen dabei, dass sich die jungen Benutzer ernst genommen fühlen. "Wir bemühen uns, auf Augenhöhe mit den Kindern zu sein", erklärt Hillmanns-Weis.
"Entdecke den Bundestag" heißt ein Feature der quietschbunten Seite. Auf ihrem virtuellen Rundgang können die Kinder eine Abgeordnete in ihrem Büro treffen und sich von ihr in einfachen Worten erklären lassen, was ihre Aufgaben sind. Oder dem Plenarsaal einen Besuch abstatten, wo schon ein Saaldiener auf die jungen Gäste wartet. Anschließend geht es hinauf auf die Kuppel des Reichstagsgebäudes.
Dass man komplexe parlamentarische Abläufe durchaus verständlich erklären kann, beweist auch die Rubrik "Fragen und Antworten". Kleiner Tipp: Hier können auch Erwachsene bei Bedarf nachlesen, wie das noch mal war mit dem Gesetzgebungsverfahren. Doch auch Spiel und Spaß sollen bei den Jüngsten nicht zu kurz kommen. Im Quiz "Parlamento" - "Was ist im Plenarsaal nicht erlaubt? 1. Essen 2. Herumlaufen 3. Lesen" - können die Kinder ihr neu erworbenes Wissen testen.
Und schließlich haben sie die Möglichkeit, über "Kuppelkucker" eine E-Mail an ihre parlamentarischen Vertreter in der Kinderkommission des Bundestages zu schicken. Dieses Gremium, so wird es auf "Kuppelkucker erklärt, "setzt sich besonders dafür ein, dass es Kindern und Jugendlichen gut geht". Doch leider - auch der Kinderkommission sind bestimmte Grenzen gesetzt. Den oft geäußerten Wunsch etwa, die Schule möge doch bitte nicht so lange dauern, kann auch sie nicht erfüllen.
Die Autorin arbeitet als freie Journalistin in Berlin.