INTERNATIONAL
Zwei Prozent der Azubis gehen ins Ausland
Fünf Monate in London bedeuteten für Jenny Högl ein Abenteuer. "Die erste Woche war die schlimmste meines Lebens", erinnert sich die angehende Erzieherin. Sie hatte noch keine Wohnung gefunden und in der britischen Hauptstadt war alles teurer. Bald jedoch fühlte sich die Berlinerin an ihrem Arbeitsplatz, einem Kinderzentrum in Islington, wohl und war beeindruckt von der Professionalität der Kollegen: Die führten in der Vorschule schon Dreijährige spielerisch an das Thema Klimawandel heran.
Nur wenige Auszubildende wagen einen Schritt ins Unbekannte, obwohl das Berufsbildungsgesetz seit 2005 Auslandsaufenthalte bis zu neun Monaten ermöglicht. Während 13 Prozent aller deutschen Studenten sich jenseits der Grenze umschauen, sind es in der Berufsbildung gerade mal ein bis zwei Prozent. Das politische Ziel ist, die Zahl bis 2010 auf zehn Prozent zu erhöhen. Auszubildenden stehen aber nach wie vor mehr Hürden im Weg als angehenden Akademikern.
Eine finanzielle Förderung steht für beide Bildungsbereiche zur Verfügung. Die Entsprechung zu den "Erasmus"-Stipendien an der Hochschule ist das Programm "Leonardo da Vinci", das Fahrt- und Lebenshaltungskosten bezuschusst. Für interessierte Auszubildende ist es aber nicht leicht, an diese EU-Mittel heranzukommen. Sie sind auf Schulen, Kammern, Verbände oder Betriebe angewiesen, die ein "Leonardo"-Projekt betreiben. "Wenn sie keinen Ansprechpartner finden, können sie nicht ins Ausland gehen", sagt Dors-Lothar Prokob, der in der EU-Geschäftsstelle der Bezirksregierung Detmold Praktikumsprojekte eines Netzwerks von Berufsschulen koordiniert.
Im dualen System stellen sich bei Auslandspraktika außerdem oft die Betriebe quer. Es gebe nur wenige Vorzeigefirmen, die den Auszubildenden gerne frei geben und sie aktiv unterstützen, sagt Prokob. Er beobachtet, dass Kurzbesuche zwischen drei und sechs Wochen die Regel sind. Gerade in kleinen Handwerksbetrieben, wo es auf jede Arbeitskraft ankommt, müssten die Jugendlichen für das Praktikum Urlaub nehmen.
Jenny Högl hatte hier mehr Glück. Ihre schulische Ausbildung in Vollzeit sieht ein fünfmonatiges Pflichtpraktikum vor. Den bürokratischen Aufwand, der mit der Anerkennung des Auslandsaufenthalts verbunden ist, nahm ihr ihre Schule, das Berliner Pestalozzi-Fröbel-Haus ab. Der Europa-Schwerpunkt ist hier schon lange etabliert. Trotzdem, sagt Projektleiterin Heidrun Schmidt, muss sie die Behörden immer wieder neu überzeugen, weil die Arbeit der Partnerinstitutionen im Ausland strukturell anders organisiert ist als in Berliner Praxis- und Ausbildungsstätten: "Es gibt nach wie vor die implizite Erwartung, dass sich die Einrichtungen in ihrer Arbeit an den deutschen Vorgaben orientieren."