MEISTER-BAFÖG
2009 soll die Förderung für Gesellen attraktiver werden. Mittelfristig steigen die Ausgaben um 60 Prozent
Jens Baldauf möchte sich später einmal mit einer eigenen Kfz-Werkstatt selbstständig machen. Ohne Meisterbrief geht das nicht. Trotzdem fiel dem 27-jährigen Kfz-Mechatroniker die Entscheidung für die Fortbildung nicht gerade leicht. Denn weil er nicht berufsbegleitend lernen konnte, musste er seine Stelle kündigen. Seit Anfang des Jahres macht Baldauf eine Vollzeit-Fortbildung an einer Gewerbeschule in Stuttgart. Wenn alles glatt geht, kann er sich von Januar kommenden Jahres an "Meister Kfz-Technik" nennen. Bis dahin erhält Baldauf das so genannte Meister-BAföG: Er bekommt Hilfe zum Lebensunterhalt, einen Kinderzuschlag sowie Geld für die Kurs- und Prüfungsgebühren. "Wenn es das Meister-BAföG nicht gäbe, hätte ich die Fortbildung nicht gemacht", sagt Baldauf.
Auch René Kühne, Fachkraft für Schutz und Sicherheit in einem schwäbischen Sicherheitsunternehmen, möchte Meister werden. "Damit habe ich mehr Aufstiegsmöglichkeiten, ich kann dann später zum Beispiel Bereichsleiter werden", meint er. "Außerdem kann ich dann unsere Lehrlinge besser ausbilden." Kühne braucht keine Hilfe zum Lebensunterhalt, weil er sich berufsbegleitend fortbildet. Der 31-Jährige hat aber Meister-BAföG beantragt, um die Kurs- und Prüfungsgebühren bezahlen zu können, und ist sehr froh über die staatliche Hilfe: "Das ist eine große finanzielle Erleichterung. Meine Fortbildung kostet 4.500 Euro, das ist eine Menge Geld für jemanden, der kein Top-Verdiener ist!"
Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFGB), im Volksmund Meister-Bafög genannt, wurde im Jahr 1996 verabschiedet. Ziel ist es, Erwerbstätige, die schon eine Erstausbildung absolviert haben, bei der Fortbildung zu unterstützen. Neben der Meisterprüfung im Handwerk und in der Industrie werden zahlreiche andere Weiterbildungen gefördert, beispielsweise die zum staatlich geprüften Techniker, Informatiker, Betriebswirt oder Fachkrankenpfleger. Die Teilnehmer können Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten. Etwa ein Drittel davon wird als Zuschuss ausgezahl, der Rest als zinsgünstiges KfW-Darlehen. Eltern erhalten zudem Zuschläge für den Unterhalt und die Betreuung ihrer Kinder. Das Meister-BAföG deckt außerdem die Kosten für Kurs- und Prüfungsgebühren, der Zuschussanteil dafür liegt bei 30,5 Prozent. Nach maximal sechs Jahren müssen die Empfänger mit der Rückzahlung der gewährten Darlehen beginnen.
Die Unterhaltsleistungen stiegen Anfang dieses Monats um zehn Prozent, denn die Höhe des Meister-BAföG ist rechtlich an das BAföG für Studenten gekoppelt. Trotzdem sind die geltenden Regelungen offenbar nicht allzu verlockend, denn der Ansturm auf das Meister-BAföG hält sich in Grenzen. Die Zahl der Empfänger ist seit zwei Jahren rückläufig, 2007 sank sie um 1,7 Prozent auf rund 134.000. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) bezieht nur etwa die Hälfte der jährlich rund 70.000 IHK-Prüfungsteilnehmer Meister-BAföG.
Die Bundesregierung will nun die Attraktivität der Förderung erhöhen - nicht zuletzt, um den drohenden Fachkräftemangel zu bekämpfen. Ziel ist es, die Zahl der Geförderten um 50 Prozent zu steigern. Das Vorhaben gehört zur Qualifizierungsinitiative der Regierung, die im vergangenen Dezember unter dem Motto "Aufstieg durch Bildung" beschlossen wurde.
Bildungspolitiker von Union und SPD haben sich relativ schnell auf die Details der AFBG-Novelle verständigt. Sie soll nach Angaben des Bundesbildungsministeriums noch in diesem Sommer im Kabinett verabschiedet werden und am 1. Juli kommenden Jahres in Kraft treten. Vorgesehen sind eine Reihe von Änderungen, die zum einen den Kreis der Meister-BAföG-Empfänger erweitern und zum anderen die Förderung attraktiver machen sollen.
Von der Neuregelung werden Arbeitnehmer in Sozialberufen, Ältere und Migranten profitieren. Künftig sollen auch Fortbildungen zur Erzieherin sowie in der ambulanten und stationären Altenpflege gefördert werden. Damit wolle man auch auf den Qualifizierungsbedarf angesichts der alternden Gesellschaft reagieren, erklärt der Parlamentarische Staatssekretär im Bildungsministerium, Andreas Storm (CDU). Ausländer mit langfristiger Aufenthaltsberechtigung sollen einen erleichterten Zugang zu der Förderung bekommen - bisher müssen Antragsteller, die nicht aus der EU stammen, eine dreijährige Erwerbstätigkeit in Deutschland nachweisen. Und schließlich muss es künftig nicht mehr unbedingt die erste Aufstiegsfortbildung einer Person sein, die gefördert wird. Diese Neuregelung kommt vor allem älteren Arbeitnehmern zugute, die schon einmal eine Fortbildung aus eigenen Mitteln finanziert haben und deshalb bisher kein Meister-BAföG beantragen konnten.
Neben der Erweiterung des Empfängerkreises sind auch mehrere Änderungen vorgesehen, um die Förderung an sich attraktiver zu machen. Während bisher zwischen Lehrgangsende und Prüfungstermin eine "Förderlücke" klaffte, soll es künftig auch in dieser Phase Unterstützung geben. Davon erhofft sich die Regierung, dass weniger Fortbildungen vorzeitig beendet werden - bisher liegt die Abbrecherquote immerhin bei 15 bis 20 Prozent. Demselben Ziel dient die Einführung einer Leistungskomponente: Wer die Prüfung besteht, dem soll künftig zur Belohnung ein Viertel des Darlehens für die Kurs- und Prüfungsgebühren erlassen werden. Bisher gab es das nur für Existenzgründer unter bestimmten Bedingungen. Um die Förderung familienfreundlicher zu machen, sollen die Zuschläge für Kinder steigen und außerdem nur noch zur Hälfte zurückgezahlt werden müssen.
Für alle geplanten Änderungen am Meister-BAföG stellt allein der Bund bis 2012 mehr als 200 Millionen Euro bereit, das entspricht nach BMBF-Angaben einer mittelfristigen Steigerung um 60 Prozent. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss ist mit dem Entwurf sehr zufrieden: "Für die SPD hatte eine bessere Ausgestaltung des Meister-BAföG in dieser Legislaturperiode hohe Priorität", sagt der Bildungspolitiker. Nicht durchsetzen konnten sich die Sozialdemokraten allerdings mit ihrer Forderung, das AFBG in ein "Erwachsenenbildungs-Förderungsgesetz" weiterzuentwickeln. Ein solches Gesetz sollte nach SPD-Vorstellungen auch Fördermöglichkeiten zum Beispiel für Analphabeten oder für Menschen enthalten, die mit 30 noch einen Schul- oder Berufsabschluss nachholen wollen. Die Union lehnt das ab. "Das Meister-BAföG in ein Gesetz zur Erwachsenenbildung zu integrieren, erscheint uns als ein wenig geeigneter Weg, um hier rasch Fortschritte zu erzielen", meint Staatssekretär Andreas Storm.
Die neuen Anreize sollen die Weiterbildungsbereitschaft in Deutschland spürbar erhöhen. Das Potenzial dafür ist jedenfalls da: Seit vor fünf Jahren der Meisterzwang für zahlreiche Handwerksberufe abgeschafft wurde, qualifizieren sich sehr viel weniger Handwerksgesellen als früher zum Meister. Von denjenigen, die eine Ausbildung in der Industrie abgeschlossen haben, macht nicht einmal jeder Dritte eine Aufstiegsfortbildung - und das, obwohl nach der jüngsten Weiterbildungs-Umfrage des DIHK zwei Drittel der Absolventen beruflich aufsteigen und auch mehr verdienen als zuvor. Nach Einschätzung des DIHK ist neben den geplanten Änderungen auch ein besseres Marketing des Meister-Bafögs dringend vonnöten. Der Sicherheitsfachmann René Kühne ist in dieser Hinsicht ver- mutlich kein Einzelfall: Er hatte schon Möglichkeiten ausgelotet, von seiner Firma einen zinslosen Kredit für die Fortbildung zu erhalten. Dass er noch rechtzeitig über einen Kollegen von der Möglich- keit staatlicher Förderung erfuhr, war reiner Zufall.