E-LEARNING
Unterricht per Internet wird häufiger. Die Motivation der Schüler muss aber hoch sein. Ein Selbstversuch
"Excel? Musste können", stellt ein guter Freund von mir lapidar fest. Für ihn ist das eine Selbstverständlichkeit. Und ich? Irgendwie behaupte ich immer, ich würde mich mit dem gesamten Microsoft-Office-Paket, der Standardsoftware vieler Computer, auskennen. Gehört zum Arbeitsleben dazu, fast wie ein Führerschein. Fakt ist: Ich nutze Word wie eine Schreibmaschine, kann mit Outlook Emails schicken und in Excel eine Mappe, also eine Datei mit Tabellen, öffnen und wieder schließen.
Als mich ein Auftraggeber allerdings bittet, ihm zu einem Text auch Diagramme zu schicken, scheitere ich kläglich und muss besagten Freund um Hilfe bitten. Ich bin frustriert und beschließe, etwas zu unternehmen. Sofort, preiswert und flexibel, darauf kommt es mir an. Die Wissensgesellschaft fängt schließlich bei mir zuhause an und ständig lese ich etwas von lebenslangem Lernen. Ich surfe durchs Internet, informiere mich nach Einsteiger-Kursen für Excel. Ich habe nicht besonders viel Zeit, die Arbeitszeiten als Journalist sind manchmal unberechenbar. E-Learning, das wäre es wohl für mich. Manche Menschen absolvieren neben ihrem Job auf diese Weise ein ganzes Studium. "Pah", denke ich, "da muss doch für mich so ein kleiner Computerkurs drin sein".
Klasse, einige Anbieter haben ganze Kurse kostenlos ins Netz gestellt. Klar, die finanzieren sich durch lästige Werbung, aber das ignoriere ich. Dann der Test zwischen zwei Interviews in einer kreativen Durstphase. Nicht einmal anmelden muss ich mich. Bei welchem Thema ich einsteige, ist mir selbst überlassen. Sehr praktisch. Eigentlich will ich die Einführung überspringen. Schnick-Schnack! Auf der anderen Seite - mir fehlen jegliche Grundlagen.
Ich beschließe, doch besser von vorn anzufangen. Schon gleich die erste Lektion öffnet mir die Augen. Es sind Kleinigkeiten. Aber furchtbar viele. Die vier Rauten zum Beispiel, die zuweilen unfreiwillig in meinen Dokumenten auftauchten. Bislang hielt ich sie für Fehlermeldungen. Dabei waren nur die Zahlen, die ich eingegeben hatte, schlicht zu lang und passten nicht vollständig in die Tabellenzelle. Kompliziert!
Immer wieder wird über Übungsaufgaben das erlernte Wissen abgefragt. Obwohl ich allein, eigentlich ohne Druck nach der Arbeit am Computer sitze, bringen mich die Fragen ins Schwitzen. Wie alt sind die Mitglieder der Familie Wandersleben, heißt es auf dem Bildschirm. Ja, was weiß ich denn? Angegeben sind jeweils die Geburtstage als Datum. Irgendwo in diesem Programm muss es nun eine Funktion geben, mit der man das Alter in Tagen und Stunden berechnen kann. Schummeln gilt nicht! Es hilft nichts, ich muss noch mal nachschlagen. Ja, wenn ich denn mal die Zeit dazu hätte. Denn leider klingelt das Telefon. Auftraggeber sind wichtiger als Internetkurse. Heute werde ich die Fragen also nicht mehr beantworten können.
Das ist die größte Schwierigkeit: Immer am Ball zu bleiben. Meine Arbeitspausen brauche ich irgendwie doch zum Abschalten. Und nach dem Arbeitstag daheim mag ich den Computer eigentlich nicht mehr sehen. Aber ich habe es mir fest vorgenommen: Ich werde weitermachen, Termine mit mir selbst vereinbaren, immer mal wieder eine Viertelstunde. Bis ich tatsächlich sagen kann: "Excel? Kann ich!"