VERGABERECHT
Von der geplanten Reform soll vor allem der Mittelstand profitieren
Moderner soll es werden, transparenter und vor allem mittelstandsfreundlicher: das deutsche Vergaberecht. Dazu hat die Bundesregierung jetzt einen Gesetzentwurf ( 16/10117) vorgelegt, durch den vor allem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geändert werden soll. Ziel ist es unter anderem, überflüssige Vorschriften zu streichen und die Verfahren zu erleichtern.
Vor allem soll die so genannte Mittelstandsklausel des GWB, die eine Vergabe nach Teilaufträgen ("Losen") vorsieht, dadurch aufgewertet werden, dass nur noch in Ausnahmefällen von einer solchen Vergabe nach Losen abgewichen werden kann. Mittelständische Unternehmen beklagten, dass Auftragsvergaben wenig mittelstandsorientiert ausgestaltet würden, heißt es zur Begründung. Die Bündelung von "Nachfragemacht" auf Seiten der Behörden, die öffentlich ausschreiben, und die Zusammenfassung von teilbaren Leistungen würden zunehmend zur Praxis, so die Kritik der Mittelständler.
Aus Sicht der Bundesregierung muss gerade bei der öffentlichen Auftragsvergabe im Interesse der mittelständisch strukturierten deutschen Wirtschaft darauf geachtet werden, dass Nachteile für den Mittelstand ausgeglichen werden. Diese Nachteile resultierten aus der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten solcher Unternehmen überfordern kann. In der Neufassung heißt es zudem, dass Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden müssen. Für die Ausführung des Auftrags sollen zusätzliche Anforderungen an die Auftragnehmer gestellt werden können, die vor allem soziale, umweltbezogene oder auch innovative Aspekte betreffen. Voraussetzung sei, dass diese Anforderungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Gegenstand des Auftrags stehen und sich auch aus der Leistungsbeschreibung ergeben.
Andere oder darüber hinausgehende Anforderungen dürften an die Auftragnehmer nur gestellt werden, so die Bundesregierung, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz so vorgesehen sei. Die Regierung stellt klar, dass die öffentlichen Auftraggeber vom Unternehmen ein bestimmtes Verhalten während der Ausführung des Auftrags verlangen können, auch wenn das Unternehmen sich am Markt ansonsten anders verhält. Beispielsweise könnte verlangt werden, dass der Auftragnehmer für den konkreten Auftrag Auszubildende oder Langzeitarbeitslose beschäftigt.
Mit der Reform des Vergaberechts beschäftigt sich auch die Linksfraktion des Bundestages in einem Antrag ( 16/9636). Darin fordert sie die Bundesregierung auf, sich in der EU dafür einzusetzen, dass im Vertrag von Lissabon der Vorrang der sozialen Grundrechte und Grundwerte vor den so genannten Binnenmarktfreiheiten festgeschrieben wird. Die Abgeordneten verweisen dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach Tariftreue-Regelungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe nicht mit der Dienstleistungsfreiheit in der EU vereinbar sind, es sei denn, die Tarifverträge wurden für "allgemeinverbindlich" erklärt. Durch so genannte Tariftreue-Regelungen können Behörden bei der Auftragsvergabe verlangen, dass die potenziellen Auftragnehmer sich an geltende Tarifverträge halten.
Aus Sicht der Linksfraktion hat der Europäische Gerichtshof damit den Schutz des Binnenmarktes und vor allem der Dienstleistungsfreiheit über den Schutz der Arbeitnehmer gestellt. Die Bundesregierung wird in dem Antrag aufgefordert, Konsequenzen aus diesem Urteil zu ziehen, um die Möglichkeit, öffentliche Aufträge an das Einhalten von Tarifverträgen zu binden, EU-rechtlich abzusichern. Diese Möglichkeit müsse auch bei der bevorstehenden Reform des deutschen Vergaberechts berücksichtigt werden. Darüber hinaus verlangt die Fraktion, einen jährlich anzupassenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,44 Euro brutto pro Stunde als allgemeine Untergrenze einzuführen. Tarifliche Mindestlöhne, die oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen, sollten als Branchenmindestlöhne festgeschrieben werden können. Schließlich will die Fraktion auch das Verfahren erleichtern, Tarifverträge für "allgemeinverbindlich" zu erklären.