ASSE II
Jetzt übernimmt das Bundesamt für Strahlenschutz das Forschungsbergwerk
Asse war von Anfang an ungeeignet, um dort Atommüll einzulagern." Maria Flachsbarth, CDU-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Umweltausschuss, war mit ihrem Urteil nicht allein. Deshalb soll die Schachtanlage unweit von Wolfenbüttel in Niedersachsen, in der rund 126.000 Fässer mit schwach- und rund 1.300 Fässer mit mittelradioaktivem Müll lagern, im Jahr 2017 geschlossen werden. Die Vorbereitungen zur Schließung laufen an, und über die ersten Schritte dazu standen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) den Bundestagsausschüssen für Umwelt sowie für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Rede und Antwort. Die Grünen hatten die Sondersitzung am 16. September beantragt. Anlass war ein Statusbericht des niedersächsischen Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz zu den in Asse II eingelagerten Stoffen, zum Umgang damit, zu den rechtlichen Grundlagen sowie zur Zuverlässigkeit des Betreibers. Betreiber war bislang das Helmholtz-Zentrum München für Gesundheit und Umwelt, eine Forschungseinrichtung des Bundes und des Freistaats Bayern. Die rechtliche Grundlage für den Betrieb von Asse II bildete das Bergrecht.
Das wird sich ändern. Voraussichtlich am 1. Oktober wird das Bundeskabinett beschließen, Asse II künftig dem Atomrecht und damit dem Bundesamt für Strahlenschutz zu unterstellen. So hatten es Gabriel und Schavan sowie der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) am 4. September vereinbart. Aus dem bisherigen Forschungsbergwerk wird dann eine kerntechnische Anlage, ein atomares Endlager.
Der radioaktive Müll aus der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe und vom Kernforschungszentrum Jülich wurde von 1967 bis 1978 in dem ehemaligen Salzbergwerk eingelagert. Asse wurde damit zu einer Art Probe-Endlager für das bereits damals geplante Endlager in Gorleben. Zuständig war die Gesellschaft für Strahlenforschung, die später im Helmholtz Zentrum München aufging. In den 90er-Jahren wurde festgestellt, dass teilweise radioaktiv verseuchte Salzlaugen ausgetreten sind. Im Statusbericht wird von einem "jährlichen Anfall" von etwa zwölf Kubikmetern kontaminierter Salzlösung gesprochen. Hinzu kommt, dass Wasser in den Schacht eindringt und die Standsicherheit nur noch bis zum Jahr 2014 gewährleistet ist, wie das Leipziger Institut für Gebirgsmechanik 2007 in einem Gutachten festgestellt hatte. Spätestens Anfang Oktober soll nun ein weiteres Gutachten zur Standsicherheit vorliegen. Für Minister Gabriel gibt es "erste Anzeichen", dass es technisch möglich sein könnte, die Standsicherheit über 2014 hinaus zu verlängern. Hinzu kommt, dass bis Anfang November eine Arbeitsgruppe einen so genannten Optionenvergleich präsentieren soll. Je nach gewählter Option für das weitere Vorgehen wird dann deutlich, welche Konsequenzen für die langfristige Sicherheit damit verbunden sind. Bis heute gibt es nach den Worten Gabriels keinen Langzeit-Sicherheitsnachweis für Asse II.
Mit den jeweiligen Optionen verbunden sind die zu erwartenden Kosten für die Sanierung. In der Sitzung wollte Gabriel keine Summe nennen, stellte aber klar, dass der Bund gefordert sein wird. Das Jahr 2009 soll dann ganz im Zeichen der Wahl der "entscheidenden" Option im Hinblick auf die Langzeit-Sicherheit stehen, so der Minister. Dabei müssten langfristige Gefahren ausgeschlossen werden.
Kritik übte der Minister am niedersächsischen Landesbergamt, weil es nie ein strahlenschutzrechtliches Freigabeverfahren für die Einlagerung der Fässer gegeben habe. Ein solches Verfahren müsse ab November kommen, weil sonst die Fässer aus dem Schacht heraus "über Tage" gebracht werden müssten. Auch nach Bergrecht wäre eine strahlenschutzrechtliche Genehmigung erforderlich gewesen, sagte Gabriel. Dass die Behörde dies anders gesehen habe, wertete der Minister als "rechtsfehlerhafte Einschätzung". Der wesentliche Unterschied zwischen dem bergrechtlichen und dem antomrechtlichen Verfahren bestehe lediglich darin, dass beim atomrechtlichen Verfahren die Beteiligung der Öffentlichkeit vorgeschrieben sei.
Asse ist für den Minister ein "Lehrbeispiel dafür, wie man es nicht machen darf". Er habe den Eindruck, dass es um eine preiswerte Endlagerung und weniger um Forschung gegangen sei. Der Statusbericht habe Zweifel an der Sach- und Fachkunde von Betreiber und Genehmigungsbehörde deutlich gemacht. Das Helmholtz-Zentrum und die 245 Beschäftigten in der Schachtanlage, die das Bundesamt für Strahlenschutz übernehmen wird, nahm Gabriel gleichwohl in Schutz. Verantwortlich sei die frühere Gesellschaft für Strahlenforschung. Annette Schavan sagte, es seien Kommunikationsdefizite in niedersächsischen Behörden deutlich geworden. Die Kompetenzen des Helmholtz-Zentrums reichten nicht mehr aus, weil Asse II nun als kerntechnische Anlage eingestuft werde.
Die Abgeordnete Maria Flachsbarth sagte, es gehe zwar um Gefahren in einem langen Zeitraum, die Menschen hätten aber "hier und jetzt" Angst. Für Christoph Pries (SPD) offenbart der Statusbericht "erscheckende Mängel bei Betreiber und Landesbergamt". Jetzt müsse verlorenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden, indem es so schnell wie möglich zu einem Schließungskonzept kommt. Die Kosten dürften allerdings nicht zulasten der Ausgaben für Bildung und Forschung gehen. Da Atomenergie "weder sauber noch günstig" sei, bleibe es beim Atomausstieg.
Aus Sicht von Cornelia Pieper (FDP) ist es eine Illusion zu glauben, eine "Forschungseinrichtung aus München könne in Niedersachsen ein faktisches Endlager realisieren". Der Folgerung, die Vorgänge um Asse II würden den Atomausstieg bestätigen, könne sie nicht folgen, betonte die Forschungspolitikerin. Nun gelte es, keine Hysterie zu verbreiten, sondern verantwortungsvoll mit diesem Bergwerk umzugehen. "Die Endlagerforschung steht vor den strahlenden Trümmern ihrer Ergebnisse", resümierte Hans-Kurt Hill von der Linksfraktion. Die Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl erinnerte schließlich daran, dass ihre Fraktion schon 2007 beantragt habe, Asse II dem Atomrecht zu unterstellen.