ZUWANDERUNG
Die große Koalition will hochqualifizierten Ausländern die Tore zur Einreise weit öffnen. Damit soll dem Mangel an Fachkräften vorgebeugt werden.
Mit einfachen Arbeiten ist im Hochlohnland Deutschland kein dauerhaftes Wachstum mehr zu erzielen. Neue Ideen und damit auch neue Produkte müssen her. Die Bundesregierung hat dafür ein Aktionsprogramm gestartet und will mehr Arbeitsmigration zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland. "Eine verantwortliche Bundesregierung muss vorausschauend dafür die Weichen stellen, dass die notwendigen Fachkräfte dem Arbeitsmarkt auch künftig zur Verfügung stehen", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Peter Altmaier (CDU), in einer Bundestagsdebatte am 25. September.
Die Regierung habe eine umfassende und maßgeschneiderte Lösung vorgelegt, versicherte Altmaier. Die Regelung orientiere sich passgenau an den Möglichkeiten des deutschen Arbeitsmarktes. Dagegen bezeichnete der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff die Vorschläge der Regierung als "Stückwerk" und als "Minimalschritte". Mit dieser Regelung werde man wieder nicht die Fachkräfte bekommen, "die wir in Deutschland dringend brauchen", sagte der FDP-Politiker.
Der SPD-Abgeordnete Josip Juratovic erklärte, es sei klar, dass mehr Hochqualifizierte gebraucht würden. "Vorrang für uns Sozialdemokraten hat dabei die Ausschöpfung des heimischen Arbeitsmarktes", so Juratovic. Große Potenziale seien bei Jugendlichen, Frauen, Älteren und bei in Deutschland lebenden Migranten vorhanden. Es werde aber trotzdem zu Engpässen kommen, die ab Mitte des nächsten Jahrzehnts das Wachstum beeinträchtigen könnten. Daher seien ausländische Fachkräfte nötig.
Für die Linksfraktion erklärte Sevim Dagdelen, während die Wirtschaftsverbände von Arbeitskräftemangel reden würden, gebe es eine halbe Million ausländische Fachkräfte, deren Abschlüsse hier nicht anerkannt würden. So müssten russische Ärztinnen als Putzfrauen arbeiten. Dagdelen forderte, die Arbeitsverbote für ausländische Flüchtlinge endlich abzuschaffen. Für Bündnis 90/Die Grünen erklärte Brigitte Pothmer, mit der Koalitions-Politik werde die Bundesrepublik im internationalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe und besten Hände abgehängt. Der Gesetzentwurf lasse Transparenz vermissen und werde daher keinen Erfolg bringen, klagte die Abgeordnete.
Der Entwurf eines Gesetzes zur arbeitsmarktadäquaten Steuerung der Zuwanderung Hochqualifizierter ( 16/10288) sieht vor, ab 2009 die im Aufenthaltsgesetz genannte Mindesteinkommensgrenze, die von Anfang an ein dauerndes Aufenthaltsrecht vermittelt, von derzeit 86.400 Euro auf 63.600 Euro im Jahr zu senken. Der bisher geltende Wert entspricht dem Doppelten der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung. Der neue Wert entspricht der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung. Die Orientierung an diesen Bemessungsgrenzen bietet nach Angaben der Regierung gegenüber festen Beträgen einen erheblichen Vorteil. Die Beitragsbemessungsgrenzen würden jährlich an die Entwicklung der Gehälter angepasst. Daher seien Änderungen des Aufenthaltsgesetzes zur Anpassung an die Entwicklung der Gehälter nicht notwendig.
Das geforderte Mindestgehalt von Ausländern liege mit derzeit 63.600 Euro jährlich deutlich über dem üblichen Gehalt von Akademikern, die am Anfang ihrer beruflichen Karriere stehen würden und somit noch nicht über die geforderte besondere Berufserfahrung verfügen könnten. "Diese Einkommensgrenze orientiert sich an realistischen Gehältern, die in der Wirtschaft für Hochqualifizierte mit Berufserfahrung gezahlt werden", so die Regierung.
Der Gesetzentwurf sieht außerdem die Nutzung von Potenzialen von bereits in Deutschland lebenden Ausländern vor. Junge Ausländer, die durch Integration im Inland mit der deutschen Kultur vertraut sind und hier ihre Ausbildung absolvieren, sollen bessere Aufenthaltsperspektiven erhalten. Neben den "Bildungsinländern" hat die Bundesregierung eine weitere Gruppe im Sinn: "Auch beruflich gut qualifizierte Geduldete, die ihre Ausbildung in Deutschland erfolgreich abgeschlossen haben und Geduldete, die sich auf Grund ihrer bereits im Herkunftsland erworbenen Qualifikationen am Arbeitsmarkt bewährt haben, können einen Beitrag zur langfristigen Deckung des Fachkräftebedarfs leisten." In diesen Fällen soll durch die Einführung eines neuen Paragrafen 18a in das Aufenthaltsgesetz ein sicherer Aufenthaltsstatus gewährt werden. "Die gleiche Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung erhalten geduldete Hochschulabsolventen, deren Studienabschluss in Deutschland anerkannt ist und die zwei Jahre lang durchgängig in einem ihrer Qualifikation entsprechenden Beruf gearbeitet haben", so die Regierung.
Für Akademiker aus EU-Ländern wird der Arbeitsmarkt vollständig geöffnet. Die Nachweispflicht für den Arbeitgeber, dass er keinen geeigneten Bewerber aus Deutschland finden kann, soll ab dem 1. Januar 2009 entfallen. Die FDP-Fraktion verlangt in einem Antrag ( 16/10310), die Regierung solle Arbeitnehmerfreizügigkeit für alle EU-Bürger sofort gewähren und von ihrem Vorhaben ablassen, in der EU eine weitere Verlängerung der Übergangsbestimmungen für die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit bis 2011 anzumelden.