SYSTEM
Einigen sich die beiden Volksgruppen, entsteht auf Zypern ein völlig neuer Staat
Nicht nur die Teilung Zyperns soll überwunden werden: Die Geburt eines völlig neuen Staates ist das Ziel der aktuellen Verhandlungen. Hier liegt einer der wichtigsten Unterschiede zur deutschen Wiedervereinigung, bei der fünf neue Länder in die föderale Ordnung der Bundesrepublik integriert wurden.
Eine Föderation allerdings soll es auch auf Zypern geben. Hierauf hatten sich bereits Erzbischof Makarios und Rauf Denktasch in ihren High-Level-Agreements der Jahre 1977 und 1979 verständigt. Nie aber kam es zu einer Lösung.
Die anvisierte Struktur: Ein griechisch-zyprisch und ein türkisch-zyprisch verwalteter Gliedstaat sowie eine gemeinsame Bundesebene mit Präsidialregierung und Parlament. Über die konkreten Konturen sprachen die beiden Volksgruppenführer Dimitrios Christofias und Mehmet Ali Talat gleich zu Beginn der Verhandlungen am 11. und 18. September.
Details über den aktuellen Stand der Gespräche sind nicht bekannt. Beide Seiten haben Stillschweigen vereinbart. In Grundzügen ist aber seit langem klar: Die griechisch-zyprische Seite tritt für eine starke Bundesregierung ein. Die türkischen Zyprer fordern einen weitgehenden Autonomiestatus der Teilstaaten bis hin zu Aspekten der Souveränität.
Georgios Iakovou, Chefunterhändler der griechischen Zyprer, sieht in einem nur lockeren Verbund die Gefahr einer Loslösung des türkisch-zyprischen Teilstaates. Auf türkisch-zyprischer Seite kursieren indes Befürchtungen, mit einer starken Bundesregierung würden die griechischen Zyprer versuchen, möglichst "in den alten Strukturen zu bleiben", wie der türkisch-zyprische Abgeordnete Unal Findik von Talats Partei RTP mutmaßt. Sein Fraktionskollege Ahmet Gulle sagt: "Auf Bundesebene sollte höchstens die Außenpolitik und die EU-Politik sowie der Haushalt bestimmt werden."
Iakovou sieht in einer möglichst breiten Teilhabe der Bevölkerung das Mittel, um eine faktische Konföderation auszuschließen. "Präsident und Vizepräsident müssen vom Volk direkt legitimiert sein. Sie müssen verschiedenen Volksgruppen angehören, gemeinsam gewählt werden und für eine einheitliche politische Linie stehen", erklärte der Chefunterhändler. Auch ein Tausch der beiden höchsten Staatsämter nach einem Teil der Legislaturperiode sei denkbar, sagte Iakovou.