Braun gebrannt, schwarzes T-Shirt - einen Richter am Bundesgerichtshof, noch dazu im gesetzten Alter, stellt man sich anders vor. Doch Wolfgang Neskovic hat sich allen Klischees über seinen Berufsstand stets konsequent verweigert. Das hat er nicht zuletzt vor drei Jahren bewiesen, als er auf der offenen Liste Brandenburg der Partei Die Linke für den Bundestag kandidierte. Ein Bundesrichter als Kandidat der Linkspartei: Nicht wenige empfanden das damals als Provokation. Das kann der agile 60-Jährige, für den das Parteiprogramm der Linkspartei eine ernsthafte Alternative darstellt, nicht nachvollziehen. Und außerdem, erzählt er gutgelaunt: "Ich bin mit Leib und Seele Richter. Aber irgendwann hat es mich gereizt, Gesetze nicht immer nur auszulegen, sondern auch an deren Entstehung mitzuwirken."
Als rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion hat er es im Bundestag vor allem mit den Plänen der Bundesregierung zur Terror- und Kriminalitätsbekämpfung zu tun. Und die sorgen bei ihm regelmäßig für Empörung. Vor dem Hintergrund des geplanten BKA-Gesetzes beklagte der streitbare Jurist in der Haushaltsdebatte Mitte September die "Demontage des Rechtsstaats" und warf Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vor, bei der "Reise in den Überwachungsstaat gerne auch mal Gas" zu geben.
Mit solch pointierten Formulierungen sorgt Neškovi?c, der den Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße im Bundestag vertritt, nicht nur beim politischen Gegner für Irritationen. Doch das ficht den selbstbewussten Vater zweier Kinder nicht an. Schon 1992 löste er als Richter am Landgericht Lübeck mit seiner Forderung nach einem "Recht auf Rausch" und der Gleichbehandlung von Cannabis und Alkohol heftige Kontroversen aus. Zwei Jahre später folgte das Bundesverfassungsgericht seiner Auffassung und stellte den Besitz kleiner Mengen Cannabis straffrei.
2002 dann der juristische Ritterschlag: Neskovic wurde zum Richter am Bundesgerichtshof ernannt, nachdem ihn zunächst der Präsidialrat des Gerichts als "fachlich nicht geeignet" abgelehnt hatte. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" mutmaßte als Grund, das Gremium habe den Lübecker "für schwer integrierbar" gehalten. Eine Einschätzung, die Kritiker auch mit Blick auf Neskovic wechselvolle parteipolitische Biografie teilen. 15 Jahre lang war der Mitbegründer der Neuen Richtervereinigung bei der SPD aktiv, nach seinem Austritt engagierte er sich bei Bündnis 90/Die Grünen, die er zehn Jahre später wieder verließ.
Für Neškovi?c hingegen sind seine Parteiaustritte folgerichtige Schritte gewesen. "Aus der SPD bin ich ausgetreten wegen ihrer rechtsstaatlichen Unzuverlässigkeit, bei den Grünen wegen ihrer Zustimmung zum Kosovo-Krieg", erklärt er. "Insofern habe ich mir meine politische Grundüberzeugung bewahrt, während die SPD und die Grünen ihre mittlerweile verlassen haben." Parteimitglied will er nicht mehr werden - auch nicht bei den Linken, obwohl er, wie er sagt, dort seine politische Heimat gefunden hat.
Natürlich weiß der Sohn eines Serben um die begrenzten Möglichkeiten der Opposition in Zeiten der Großen Koalition. Doch ist es ihm in seinen drei Jahren im Bundestag durchaus gelungen, eine Menge Staub aufzuwirbeln. Kaum in das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) gewählt, das die Tätigkeit der Geheimdienste überwachen soll, bezeichnete er es als "zahnlosen Tiger" und forderte seine grundlegende Reformierung. "Zurzeit ist es so, dass diejenigen, die wir kontrollieren, selbst bestimmen, in welchem Umfang sie sich kontrollieren lassen wollen. Das ist absurd", kritisiert er.
Für Aufmerksamkeit sorgten auch seine "Praktika" beim Verfassungsschutz und BND. Weil er als Mitglied des PKG wissen wollte, wie die Geheimdienste arbeiten, stattete er beiden einen mehrtägigen Besuch ab. Keine Frage: Der Hanseat, der sich anfangs im Bundestag vorkam "wie ein Ethnologe, der ein fremdes Volk besucht", ist im Berliner Politikbetrieb voll angekommen. Und auch wenn er in Interviews den Bundestag schon mal als "Abnickmaschine" bezeichnet, so hat er in den vergangenen Jahren doch die Erfahrung gemacht, dass "man als Abgeordneter auch einiges erreichen kann."