Strafvollzug
Zu viele Gefangene und zu wenig Personal
Mehr als 1.600 Gefangene auf etwa 130.000 Quadratmetern: Das ist die Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel in Zahlen. Im größten deutschen Gefängnis verbüßen Diebe, Mörder und Vergewaltiger ihre Strafen - von sechs Monaten bis lebenslänglich.
"Wir versuchen bei jedem die Haftzeit zu nutzen, um neue Straftaten zu verhindern", sagt Karl-Wilhelm Schmermer. Der Diplom-Pädagoge ist seit fast 30 Jahren im Strafvollzug tätig und hält die Arbeit heute für schwieriger als in seinen Anfangsjahren: "Psychische Auffälligkeiten und Drogenprobleme haben bei den Gefangenen zugenommen", so Schmermer. Zudem steige die Gewaltbereitschaft deutlich.
"Unsere Philosophie ist aktiv auf die Gefangenen einzuwirken", erklärt er. Gleich nach der Verurteilung werde ein Vollzugsplan erstellt, der auflistet, welche Therapiemaßnahmen für den jeweiligen Häftling am besten sind. Um bei Problemen frühzeitig intervenieren zu können, setze die JVA Tegel zudem auf das Konzept der personalen Sicherheit. "Wichtig ist, dass die Bediensteten im ständigen Kontakt mit den Gefangenen sind", sagt Schmermer. Nur so könne man wachsende Aggressivität oder Drogenprobleme erkennen.
Im Anstieg der Gefangenenzahlen bei gleichzeitigem Personalabbau sieht Schmermer deshalb auch das größte Problem für den Strafvollzug. "In den vergangenen fünf Jahren sind wir von rund 1.000 auf 820 Mitarbeiter geschrumpft", sagt er. Im gleichen Zeitraum stiegen die bundesweiten Häftlingszahlen um rund 4.000 auf 65.000 Strafgefangene. Vom Personalabbau betroffen sind vielfach auch Resozialisierungsangebote: "Die Vollzugspläne sind eine reine Farce", kritisiert Andreas Werner, der in der JVA Tegel eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt. Viele der vorgesehenen Behandlungen, wie etwa das Anti-Aggressionsprogramm, würden nie umgesetzt.
Nicht einmal Therapieangebot für Drogenabhängige gebe es, so Werber, dabei komme man nirgends leichter an Drogen als im Gefängnis.
"Oft bleiben Mauerüberwürfe von Drogenpaketen unbemerkt - einfach weil es zuwenig Personal gibt!" Deshalb fordert der Häftling dringend eine Aufstockung von Geld und Personal, vor allem mehr Therapieangebote für die Insassen.
Der Autor ist Richter und arbeitet als freier Journalist in Hamburg.