Deutsche Bahn
Die Regierung hat den Börsengang erneut verschoben. Damit kommt es zunächst auch nicht zu den umstrittenen Bonuszahlungen. Verkehrsminister Tiefensee steht dennoch heftig in der Kritik
Einige hat es überrascht - die meisten aber nicht. Die Bundesregierung sagte am 5. November die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG (DB AG) mit dem dazugehörigen Börsengang für diese Legislaturperiode ab.
Nicht überrascht zeigte sich Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am selben Tag im Verkehrsausschuss, als er mit der Absage konfrontiert wurde. Er gehe davon aus, dass zutreffend sei, was der Pressesprecher der Bundeskanzlerin Merkel, Ulrich Wilhelm, verkündet habe. Im Übrigen sei für den Börsengang laut Geschäftsverteilungsplan der Bundesregierung das Finanzministerium, also sein Ministerkollege Peer Steinbrück (SPD), zuständig.
Zuständig zeigte sich Tiefensee im Verkehrsausschuss und am Tag zuvor im Haushaltsausschuss allerdings für die vereinbarten Bonuszahlungen an die Vorstandsmitglieder der DB AG für einen erfolgreichen Börsengang. Die Bahnreform und die damit verbundene Privatisierung eines Teils der DB AG sei ein "zentrales Projekt" der Bundesregierung. Damit solle das Unternehmen noch stärker gemacht und die Dienstleistungsqualität noch weiter erhöht werden. Außerdem gelte es, Arbeitsplätze zu sichern. Diese Ziele allein müssten für den Bahnvorstand Ansporn genug sein. "Deshalb halte ich Bonuszahlungen für einen erfolgreichen Börsengang für nicht angemessen", betonte der Minister.
Außerdem hatte er nach eigenen Angaben erst spät davon erfahren und als Konsequenz seinen zuständigen Staatssekretär Matthias von Randow entlassen. Dies hielten viele Abgeordnete gerade der Opposition für ein "Bauernopfer" und forderten stattdessen den Rücktritt des Ministers.
Deshalb erläuterte Tiefensee vor den Ausschüssen den Zeitablauf: Danach beschloss der Personalausschuss des Aufsichtsrates der DB AG am 24. Juni, den Vorstandsmitgliedern bei einem erfolgreichen Börsengang Boni zu zahlen. Sein Staatssekretär von Randow, der bei der Sitzung anwesend war, habe ihn über darüber Mitte September mündlich informiert.
Damals habe der Börsengang unmittelbar bevorgestanden. Deshalb sei es ihm aus rechtlichen Gründen nicht erlaubt gewesen, eine Initiative zu ergreifen - obwohl er die Zahlungen für "nicht angemessen" hielt. Am 9. Oktober sei der Börsengang zunächst für dieses Jahr verschoben worden. Anschließend habe er seinen Staatssekretär gebeten, sich beim Vorsitzenden des Aufsichtsrates, dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, dafür einzusetzen, dass die Vereinbarungen zurückgezogen würden. Da die Bemühungen seines Staatssekretärs nicht erfolgreich gewesen seien, habe er sich am 20. Oktober mit Müller direkt in Verbindung gesetzt.
Von Randow, der trotz Beurlaubung an den Sitzungen teilnahm, bestätigte den zeitlichen Ablauf. Er betonte aber auch, dass es nach seinen Informationen bei allen anderen Börsengängen von Bundesunternehmen (zum Beispiel Post, Telekom) für die Vorstandsmitglieder Bonuszahlungen gegeben habe. Dies sei auch damit begründet worden, dass die Vorstände mit ihrem Privatvermögen für Angaben in dem Börsenprospekt haften müssten. Dies überzeugte zumindest die meisten Abgeordneten der Koalitionsfraktionen. Sie sprachen dem Minister weiterhin ihr Vertrauen aus. Die Union wies darauf hin, dass Bonuszahlungen bei Börsengängen bisher eine abgestimmte Position in der Bundesregierung gewesen sei. Seit der Finanzkrise, die im September einen Höhepunkt erreicht habe, seien Bonuszahlungen allerdings in Verruf geraten. Für die Koalition sei nun entscheidend, wie die wirtschaftliche Beteiligung des Bundes eigentlich kontrolliert werde. Hier seien Reformen dringend notwendig.
Nach Auffassung eines Unionsabgeordneten müsste der Vorsitzende des Aufsichtsrates sich jedoch regelmäßig mit dem zuständigen Minister in Verbindung setzen, um ihn über anstehende Entscheidungen zu informieren und seine Meinung einzuholen. Außerdem wies er darauf hin, dass bei der Bahn schon lange ein großer Unterschied zwischen den jährlichen Festbezügen und den regelmäßigen Bonizahlungen bestehe. Dies sei offensichtlich unabhängig davon, dass seit dem Amtsantritt von Bahnchef Hartmut Mehdorn sowohl die Anzahl der Passagiere als auch die Frachtraten zurückgegangen seien. Es müsse das ganze System überdacht werden, wie der Eigentümer Bund Einfluss auf das Unternehmen nehmen könne.
Kritik der Opposition Demgegenüber kritisierten die Sprecher der Oppositionsfraktionen das Verhalten des Ministers. Nach Auffassung der FDP-Fraktion hätte er gerade bei einem solch wichtigen Projekt tätig werden müssen. Tiefensee hätte deutlich machen müssen, was er von den Bonuszahlungen halte. "Welches Vertrauen sollen wir in einen Minister haben, der sich dafür nicht weiter interessiert", sagte eine FDP-Abgeordnete. Weiter wollten die Liberalen wissen, warum Tiefensee keine außerordentliche Aufsichtsratssitzung einberufen habe, nachdem er von den Bonuszahlungen erfahren habe. Der Minister habe erst reagiert, als die "Bombe" geplatzt sei. Bündnis 90/Die Grünen kritisierten, dass Tiefensee sich in vielen Fragen der Bonuszahlungen nur am Rande für zuständig erkläre. "Wann haben sie das Herzblut in dieser Sache entdeckt?", fragte ein Grünen-Abgeordneter den Minister. Die Linksfraktion kritisierte ebenfalls den ganzen Vorgang. Für sie ist er Anlass genug, den gesamten Börsengang eines Teils der DB AG zu überdenken. Dazu ist jetzt genug Zeit.