Als der Journalist Peter Pragal im Jahr 1974 begann, für die "Süddeutsche Zeitung" als DDR-Korrespondent zu arbeiten, war dies für ihn und seine Familie mit dem Umzug nach Ost-Berlin verbunden. Fünf Jahre lang lebte Pragal dort in einer gerade fertig gestellten Plattenbauwohnung im Bezirk Lichtenberg. In seinem Buch "Der geduldete Klassenfeind" berichtet er von seinen Erfahrungen jenseits der Mauer, vom Alltag in der DDR: vom Leben in der "Platte", von Tauschgeschäften und dem Urlaub an der Ostsee. Diese Alltagsgeschichten schickte er damals auch an die "Süddeutsche Zeitung"und vermittelte den Lesern in der Bundesrepublik ein sehr lebensnahes Bild vom anderen Deutschland.
Nach dem ersten Drittel des Bandes aber verschiebt der Autor die Perspektive fast unmerklich. Immer stärker rückt neben die ursprünglichen, wenngleich reflektierten Erfahrungen sein heutiges Wissen um die Bespitzelung, immer mehr verdeckt die Person Pragal die Lebensumstände in der DDR. Diese Berichte klingen fast alle wie schon einmal gehört und passen ärgerlich gut in die gängigen Klischees. Von den anderen, spannenden Geschichten aber hätte man gerne mehr gelesen. Schade.
Der geduldete Klassenfeind. Als West-Korres- pondent in der DDR.
Osburg Verlag, Berlin 2008; 288 S., 19,90 ¤