Feuer
Die Auswirkungen auf Ökosysteme unterscheiden sich
Auf den ersten Blick ist es immer eine Katastrophe: Wo Flammen einen Wald gefressen haben, dominieren Tod und Trostlosigkeit. Ein Besuch nach Wochen zeigt dann jedoch meist, dass ein Waldbrand nicht immer eine Katastrophe ist. Im Gegenteil: Manche Waldtypen sind auf gelegentliche Feuer geradezu angewiesen. Waldbrände werden erst dann zu einem Problem für ein Ökosystem und dessen Artenvielfalt, wenn sie "zu heftig, an der falschen Stelle, zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt oder zu häufig auftreten", wie die Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) in ihrer im März 2007 veröffentlichten Waldbrandstudie schreibt.
Wie gut ein Ökosystem mit gelegentlichen Feuern klar kommt, hängt vor allem von seiner Entwicklungsgeschichte ab: In den immerfeuchten tropischen Regenwäldern beispielsweise sind Brände von Natur aus sehr selten. Trockenes Brennmaterial - Feuerökologen sprechen von Fuel - sammelt sich dort normalerweise nicht an. Im feuchten Treibhausklima unter dem geschlossenen Kronendach der Urwaldriesen werden Totholz und heruntergefallenes Laub so schnell von Mikroorganismen abgebaut, dass man fast dabei zusehen kann. Wird der Dschungel in Brand gesetzt, sind die Folgen verheerend. Die Flammen vernichten alles: Samen, Lianen und junge Bäume, denen eine schützende dicke Borke fehlt.
Schließlich reißen umstürzende Urwaldriesen Löcher in das Kronendach. Dort, wo die Sonne den Waldboden erreicht, ändert sich das Mikroklima: Es wird trockener - und die Feueranfälligkeit des Waldes steigt. Wie Studien in Amazonien und Indonesien belegen, breiten sich schließlich nach mehreren Bränden artenarme Grasflächen aus, wo einst Regenwald stand.
Anders ist die Situation in Ökosystemen, die schon immer mit Bränden, die in der Regel von Blitzschlägen ausgelöst werden, konfrontiert waren: In tropischen Trockenwäldern und Savannen und in den borealen Nadelwäldern in Skandinavien, Russland und Kanada haben sich die Pflanzen auf die Flammen eingestellt. Die Borken der Bäume und die Kapseln der Samen sind besonders dick.
Ein oft zitiertes Beispiel für die Feueranpassung der nördlichen Wälder ist die kanadische Lodgepolekiefer. Ihre Zapfen öffnen sich erst bei Temperaturen, die nur bei Bränden erreicht werden. Die Samen fallen dann auf einen mit Asche gedüngten Boden. Auch Tiere profitieren von der durch Feuer ausgelösten Walderneuerung. Studien konnten zeigen, dass in Kanada Elche nach einem Brand besonders gute Lebensbedingungen vorfanden und ihre Populationen 20 bis 25 Jahre nach einem Brand Maximalwerte erreichten. Andere Untersuchungen belegen, dass Brände in den Weiten der Wälder Mikrolebensräume schaffen und so die Artenvielfalt in einer Region begünstigen.
Nur positiv ist das Verhältnis der nördlichen Wälder zu den Flammen jedoch nicht: Sind die Feuer zu häufig und zu intensiv, bedrohen sie sogar in der Taiga die Artenvielfalt, wie ein Beispiel zeigt, von dem der Freiburger Feuerökologe Johann Goldammer zusammen mit einem russischen Kollegen im Jahr 2001 berichtet hat: In der Region Primorsky Kray haben gelegte Brände in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten dafür gesorgt, dass dort 60 Arten höherer Pflanzen sowie Pilze, Flechten und Moose dramatisch zurückgegangen sind. Als besonders angreifbar erwiesen sich dabei südliche Arten, die die nördliche Grenze ihres Verbreitungsgebiets erreicht hatten. Auch die Tierwelt wurde in Mitleidenschaft gezogen: Die Brände ließen die Wassertemperaturen und auch den Kohlendioxidgehalt von Flüssen und Seen ansteigen, was sich auf den Laicherfolg der Lachse auswirkte.
In Europa sind Brände vor allem im Mittelmeeraum ein immer wiederkehrendes Phänomen - mit normalerweise überschaubaren Folgen: Sind die Brände dort nicht zu intensiv und zu häufig, erholt sich die Vegetation.
Aber genau das ist das Problem: Die Waldbrände in Spanien, Frankreich und Griechenland werden häufiger und intensiver. Die Artenvielfalt in den Wäldern am Mittelmeer wird ursächlich bedroht durch die Landflucht und den Klimawandel - die Flammen sind lediglich deren Symptome. Die Landflucht lässt Olivenhaine und Korkeichenwälder unbewirtschaftet zurück, sodass sie verbuschen und sich Brennmaterial ansammeln kann. Der Klimawandel sorgt sowohl für heiße Sommer und eine steigende Brandgefahr als auch für stärkere Niederschläge im Winter. Wäscht der Winterregen dann den ungeschützten Boden mitsamt den Nährstoffen fort, hat der neue Wald schlechtere Lebensbedingungen als je zuvor. Die Folgen können heute schon auf der iberischen Halbinsel betrachtet werden: Dort entstehen Wüsten.
Häufige Waldbrände bedrohen aber nicht nur die Artenvielfalt in Ökosystemen, die unmittelbar Opfer der Flammen geworden sind. Brände sorgen für ein Ansteigen des Kohlendioxids in der Atmosphäre und heizen den Klimawandel weiter an. Selbst auf die Artenvielfalt im Meer haben Feuer Einfluss - etwa dann, wenn der abgetragene Waldboden über die Flüsse ins Meer gelangt und wie ein Leichentuch die auf Sonnenlicht und klares Wasser angewiesenen Steinkorallen in den Riffen vor der Küste zudeckt.