birma
Sieben Wochen nach dem Zyklon spielt das Regime weiter Katz und Maus mit den ausländischen Helfern. Ohne Rücksicht auf die Opfer. Der Machterhalt hat für die Militärjunta Priorität.
Knapp zwei Monate nach dem Zyklon in Birma hat laut den Vereinten Nationen erst die Hälfte der 2,4 Millionen betroffenen Menschen Hilfe bekommen. Die Dörfer im zerstörten Irrawaddy-Delta sind nur mit Booten zu erreichen. Aber an Booten mangelt es den Hilfsorganisationen genauso wie an Helfern, berichtet Andrew Kirkwood von Save the Children in Rangun. Außerdem behindert der Monsun-Regen die Transporte.
Am dringendsten bräuchten die Menschen Nahrungsmittel, sagt Bernd Schell vom Deutschen Roten Kreuz, der fünf Wochen in Birma und mehrmals im Delta war. "Jetzt in der Pflanzzeit müssten die Leute von ihren Vorräten leben. Aber die wurden weggeschwemmt oder sind unbrauchbar. Die Menschen können auch nichts anpflanzen, weil die Felder versalzen und die Büffel ertrunken sind." Darum werde Nahrung eines der größten Probleme in den nächsten Monaten sein. Weniger dramatisch sieht es beim Trinkwasser aus: Zwar sind Brunnen und Süßwasserteiche verschmutzt, aber solange der Monsun andauert, können die Menschen mit den verteilten Plastikplanen Regenwasser auffangen.
Insgesamt engagieren sich mehr als 50 ausländische Hilfsorganisationen neben den Vereinten Nationen. Die Hilfe des Welternährungsprogramms hat bereits 580.000 Menschen erreicht. Jetzt kommen auch Hubschrauber zum Einsatz, um in unzugängliche Gebiete zu gelangen. Die Notfallpakete enthalten Reis, Hülsenfrüchte, Pflanzenöl und Salz. Die 250 Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen haben bisher 300.000 Patienten behandelt. Anfangs kamen die Menschen vor allem mit Wunden und Knochenbrüchen, inzwischen sind es Durchfall, Fieber und Atemweginfektionen. Viele Menschen seien schwer traumatisiert, berichtet Juli Niebuhr in Rangun: "Die Menschen haben Schlimmes erlebt. Sie haben ihre Familien ertrinken sehen und mussten sich stundenlang an Palmen festhalten, um nicht ins Wasser zu fallen." Inzwischen liegt die Zahl der Opfer laut birmesischer Regierung bei 78.000 Toten und 56.000 Vermissten.
Noch immer haben die Hilfsorganisationen Probleme, ins Land zu kommen: Laut Bernd Schell vom Roten Kreuz warten 16 seiner Mitarbeiter in Bangkok auf Visa. Für das Irrawaddy-Delta ist eine weitere Reisegenehmigung nötig. Schell durfte erst vier Wochen nach dem Zyklon dorthin und sich nur innerhalb eines Unterbezirks frei bewegen. "Wer wann für wie lange eine Reisegenehmigung bekommt, ist unberechenbar", sagt er. Einer der Helfer, die in Rangun festsaßen, war Rainer Lang von der Diakonie Katastrophenhilfe: "Während ich da war, wurden die Zugangskontrollen sogar verschärft."
Grund für die Probleme ist, dass die Junta nicht zwischen politischen und unpolitischen Organisationen unterscheidet. "Sie sehen sie lediglich als Deutsche, Briten oder Amerikaner", erklärt der Birma-Experte eines Think Tanks. Als unbedenklicher gelten die südostasiatischen Nachbarn. So trug die Organisation Südostasiatischer Staaten (ASEAN) wesentlich zur Öffnung des Landes für Hilfe bei. Zunächst hatte sie einen Krisengipfel in Singapur organisiert und sechs Tage später zusammen mit den Vereinten Nationen eine Geberkonferenz in Rangun. Aktuell ist eine 250-köpfige Delegation der ASEAN-Staaten, der UN und anderer Organisationen in der vom Zyklon betroffenen Region unterwegs, um das Ausmaß der Katastrophe zu untersuchen. Der Bericht des Post-Nargis Joint Assessment Teams soll Mitte Juli vorliegen.
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt (SPD), vertrat Deutschland bei der Geberkonferenz und ist beeindruckt: "Mir hat es gefallen, wie sich ASEAN eingebracht hat." Seiner Meinung nach ist es eine Premiere. Schließlich war ASEAN stets bestrebt, sich nicht in innerstaatliche Angelegenheiten einzumischen. Dagegen findet Roshan Jason vom ASEAN Inter-Parliamentary Myanmar Caucus, einem Zusammenschluss kritischer Parlamentarier, dass ASEAN "viel zu soft" mit der Diktatur umgeht: "Birma müsste aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden." Der Birma-Experte des Think Tanks meint, dass das Engagement ASEAN Probleme bereiten könne. Schließlich würde der bisherige Einsatz weitere Verpflichtungen nach sich ziehen. In der ASEAN-Charta, die alle südostasiatischen Länder inklusive Birma bis nächstes Jahr ratifizieren sollen, sind jedoch weder umfangreiche Transferleistungen vorgesehen noch stehen die Menschenrechtsverletzungen in Birma mit ihr in Einklang.
Innenpolitisch hat sich seit dem Zyklon nichts geändert. Oppositionelle würden nach wie vor unterdrückt, beklagt Chefredakteur Aung Zaw von dem Exil-Nachrichtenmagazin The Irrawaddy in Thailand. Kürzlich wurde der kritische Sportjournalist Zaw Thet Htwe verhaftet, nachdem er mit ausländischen Medien über die langsame Hilfe der Junta gesprochen hatte. "Das Militär ist sehr besorgt, die Leute könnten mitbekommen, dass es nicht genug unternimmt", sagt Thaung Htun von der Exilregierung National Coalition Government of the Union of Birma.
Unterdessen helfen sich die Menschen im Irrawaddy-Delta gegenseitig. "Die Bevölkerung kommt überraschend gut mit der Situation zurecht", sagt Andrew Kirkwood von Save the Children. Bernd Schell berichtet, als er vier Wochen nach dem Zyklon ins Delta gekommen sei, hätten die Überlebenden teilweise die Hütten mit Bambus und Palmenblättern wieder aufgebaut. "Die Menschen warten nicht darauf, dass wir kommen, um ihnen was zu geben."