BKA-GESETZ
Das Bundeskriminalamt soll mehr Befugnisse erhalten. Die Opposition warnt vor einem »Überwachungsstaat«
Als Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Tor zum 2:0 der deutschen Nationalmannschaft beim EM-Viertelfinale gegen Portugal enthusiastisch bejubelte, wurde er beobachtet. Kein Wunder - schließlich saß er auf der Tribüne des Basler St.-Jakob-Parks - im Fokus der Fernsehkameras. Wer sich hingegen das Spiel im heimischen Wohnzimmer angesehen hat, kann bisher eigentlich davon ausgehen, dass von seinen Freudenbekundungen niemand erfährt.
Das könnte zukünftig anders werden - zumindest wenn man den Kritikern des von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt ( 16/9588), des so genannten BKA-Gesetzes, glaubt. Während der Bundestagsdebatte am 20. Juni kritisierte etwa die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz, das Gesetz ermögliche dem BKA "den Erstschlag auf wagen Verdacht hin". Außerdem würden beim Ausspähen von privaten Computern, den sogenannten Online-Durchsuchungen, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht beachtet. Aus Sicht der Linksfraktion sind nicht nur Terrorverdächtige, sondern alle Bürger von dem Gesetz betroffen. Es werde, so Ulla Jelpke, eine "geheim operierende Staatspolizei" geschaffen. Soweit wollte der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland nicht gehen. Dennoch sieht er das BKA mit dem Gesetz auf dem Weg zu einem "deutschen FBI".
Unionsvertreter, allen voran der Bundesinnenminister selbst, teilen derartige Bedenken in keiner Weise. Das BKA erhalte keine neuen Befugnisse, so Schäuble, sondern neue Aufgaben, die bisher bei den Ländern gelegen hätten. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach verwies darauf, dass mit dem Gesetz gerade die Online-Durchsuchungen "verfassungskonform" geregelt würden. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz nannte es gar eine "millimetergenauen" Übernahme der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts und kündigte an, aus der "guten Vorlage auch ein gutes Gesetz" zu machen. Lediglich sein Parteikollege Klaus-Uwe Benneter sprach von einem "unheimlichen Instrumentenkasten" der in dem Gesetz enthalten sei und forderte, heimliches Vorgehen der Ermittler müsse die Ausnahme bleiben.
Mit dem Gesetz, so schreiben die Koalitionsfraktionen in der Begründung, erhalte das BKA für die Terrorismusbekämpfung erstmals die Aufgabe der Gefahrenabwehr sowie entsprechende Befugnisse. Es werde somit in diesem Bereich sowohl für die Strafverfolgung als auch für die Gefahrenabwehr zuständig sein. Dadurch könnten künftig praktische Hindernisse in der Aufspaltung der Kompetenz zwischen Bund und Ländern gerade in Fällen hoher terroristischer Bedrohung, die oftmals sehr schnelles Handeln erfordern würden, heißt es weiter. Konkret ist vorgesehen, dass das BKA Möglichkeiten zur polizeilichen Rasterfahndung erhält, wie auch zu verdeckten Eingriffen in informationstechnische Systeme, der Online-Überwachung. Die Telefonüberwachung soll ebenso möglich sein, wie auch die optische und akustische Wohnraumüberwachung.
Das alles sei angesichts der unvermindert hohen Bedrohung durch den islamischen Terrorismus erforderlich und erfolge "in der bewährten Rechtstradition des Verfassungsstaates", betonte Innenminister Schäuble vor dem Bundestag: "Der Verfassungsstaat schützt seine Bürger. Er späht sie nicht aus." Wirklich neu, so Schäuble, seien lediglich die Online-Durchsuchungen, die als "Folge der technischen Entwicklungen" benötigt würden. Der Bundesgerichtshof habe eine eigene gesetzliche Grundlage dafür gefordert, die mit dem Gesetz geschaffen werde. "Diejenigen, die gesagt haben Online-Durchsuchungen seien verfassungsrechtlich überhaupt nicht zulässig, haben nicht Recht", stellte Schäuble klar.
Das bewertet Gisela Piltz (FDP) anders. Das Bundesverfassungsgericht habe klare Vorgaben für die Online-Durchsuchungen gemacht, die der Gesetzgeber nicht beachtet habe. "Wenn BKA-Beamte prüfen sollen, ob der private Kernbereich betroffen ist, gleicht das der Idee, Fröschen zu sagen, sie sollen einen Teich trocken legen." Das Gesetz zerstöre die Sicherheitsstruktur in Deutschland und schaffe keinen Sicherheitsgewinn, kritisierte der Innenexperte der Liberalen, Max Stadler.
Seiner Ansicht nach, so der Grünen-Politiker Christian Ströbele, müsse der Bundesinnenminister dafür da sein, die Freiheitsrechte auszudehnen und zu sichern. Mit Wolfgang Schäuble habe es jedoch eine Flut neuer Sicherheitsgesetze gegeben, deren Notwendigkeit nie evaluiert worden sei. Auch Ulla Jelpke von der Linksfraktion kann den Bedarf an immer mehr Gesetzen nicht erkennen: "Die Bundesregierung schleift die Grundrechte ab und will die Überwachung der Bürger gewährleisten." Der Parlamentarische Geschäftsführer ihrer Fraktion, Ulrich Maurer, merkte an: die Bundesregierung habe die Bedrohungslage durch ihre Kriegsbeteiligung selbst herbeigeführt.
"Wie kommen Sie zu Ihrem Gerede von einem Überwachungsstaat?" fragte Frank Hofmann (SPD) in Richtung Opposition. Es habe in den vergangenen zehn Jahren lediglich zwei polizeiliche Rasterfahndungen gegeben. Von der Möglichkeit der Wohnraumüberwachung sei seit 2001 ganze siebenmal Gebrauch gemacht worden, sagte Hofmann.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert unterdessen eine zügige Umsetzung der Neuregelung. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Bernd Carstensen bezeichnete die Zuweisung der Zuständigkeiten an das BKA als "richtig". Er befürchte auch kein Kompetenzgerangel. Die Aufgabenverteilung könne man schnell regeln. Angesichts der starken Gefährdungslage gebe es viel zu tun: "Es wird keiner dem anderen die Arbeit wegnehmen."