MENSCHENRECHTE
Die Fraktionen streiten über eine mögliche Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen
Besonders rühmlich ist es normalerweise nicht, dem Bundestag einen Bericht zur Abstimmung vorzulegen, der in Teilen schon veraltet oder überholt ist. Im Fall des "Achten Berichts der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen" ( 16/10037), den der Bundestag am 5. März diskutiert hat, hatte diese Verspätung jedoch einen erfreulichen Aspekt. Im Kapitel "Menschenrechte und Terrorismusbekämpfung" des von der Bundesregierung bereits im Juli 2008 vorgelegten knapp 400-seitigen Dokuments geht es auch um das US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba. Eine solche Institution dürfe auf Dauer so nicht existieren, macht die Regierung dort deutlich. Es müssten andere Wege für den Umgang mit den Gefangenen gefunden werden. Inzwischen ist das Ende des Gefängnisses eingeläutet: Der neue US-Präsident Barack Obama hat im Januar 2009 - den Amtseid praktisch noch auf den Lippen - die Schließung von Guantánamo binnen Jahresfrist angeordnet.
Man könnte sagen, dass ein wichtiges Ziel deutscher Menschenrechtspolitik damit erreicht wurde, kaum dass die Tinte im Menschenrechtsbericht getrocknet war. Doch wer meint, dass damit auch die Diskussionen ein Ende haben, irrt. Vielmehr stellt sich eine neue Frage: Wohin mit den Gefangenen? Ein Teil der in Guantánamo Inhaftierten sitzt nach US-Erkenntnissen unschuldig hinter Gittern. Viele von ihnen können nicht in ihre Heimatländer zurückkehren, weil ihnen dort Folter und Verfolgung droht. US-Bürger können oder wollen viele von ihnen möglicherweise nicht werden. Was tun? Diese Frage dominierte auch die Debatte um den Menschenrechtsbericht. Die Grünen hatten einen Antrag ( 16/11759) vorgelegt, in dem sie die Regierung auffordern, sich zu einer Aufnahme von Häftlingen grundsätzlich bereit zu erklären. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck warnte: "Wer jetzt keinen Beitrag leistet, dem muss man ins Stammbuch schreiben: Dann sind das in Guantánamo auch unsere Gefangenen. Dann ist das auch unser Lager, weil wir dazu beitragen, dass nicht tatverdächtige Personen nicht in Freiheit gelangen." Unterstützung bekam er durch die Linksfraktion. Monika Knoche erklärte, es dürfe nicht dazu kommen, dass wegen der Weigerung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Häftlinge aufzunehmen, "unschuldig Inhaftierte weiter einsitzen müssen".
Nach Ansicht von Christoph Strässer (SPD) gehen die Grünen aber von einer falschen Voraussetzung aus: "Sie sagen, die Bundesregierung tut an dieser Stelle nichts. Das ist verkehrt." Die Regierung, insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), hätte klar gesagt, dass sie an einer Lösung mitwirken wolle. "Deutschland wird seiner humanitären Verpflichtung nachkommen", sagte Strässer, jedoch erst, wenn auch eine Anfrage aus den USA vorliege.
Beim Koalitionspartner ist man mit solchen Versprechen vorsichtiger: Es gäbe "abgestufte Fragen, die wir uns stellen müssen", betonte Holger Haibach (CDU), der den Grünen vorwarf, das Thema zu Wahlkampfzwecken zu benutzen. Was sei mit den Heimatländern? Was mit der Verantwortung der USA? Erst an dritter Stelle stehe die Frage: "Was ist mit unserer eigenen Verantwortung?" Haibach versicherte: "Sie können sicher sein, dass wir am Ende des Tages unserer Verantwortung nicht aus dem Weg gehen werden."
Die FDP forderte eine EU-weite Absprache, falls eine Aufnahme der Häftlinge in den USA nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Burkhardt Müller-Sönksen erklärte: "Im Rahmen einer europäischen Lösung kann Deutschland seiner Größe und Bedeutung entsprechend einen Beitrag leisten, wobei jeder Fall einzeln geprüft werden soll." Am Ende scheiterte der Grünen-Antrag an der Ablehnung der Koalitionsfraktionen sowie der FDP. Es wird nicht die letzte Debatte im Bundestag zu diesem Thema gewesen sein.
Fast ein wenig unter gingen in der Diskussion die Reaktionen auf den 8. Menschenrechtsbericht. Er sei ein "lesenswertes Kompendium moderner Menschenrechtspolitik", sagte Christoph Strässer. Holger Haibach bescheinigte den Erstellern eine "große Sachkompetenz". Aus Sicht der FDP stehen jedoch die menschenrechtlichen Herausforderungen im Inland in der sonst "vielschichtigen und professionellen Arbeit" zu sehr im Hintergrund. "Die Menschenrechte in Deutschland dürfen keine Leerstelle sein", forderte Müller-Sönksen. Den Entschließungsantrag der Liberalen ( 16/12136) mit Erwartungen an den nächsten, den 9. Bericht lehnte der Bundestag ab. Lediglich die Linksfraktion unterstützte den Antrag. Sie war es auch, die bezweifelte, dass das Engagement der Bundesregierung für Menschenrechte in den auswärtigen Beziehungen gerecht verteilt sei. "Gelten Menschenrechte universell, oder werden sie nur zur Bedingung in den auswärtigen Beziehungen gemacht, wenn sie eigenen Interessen nützen?", fragte Monika Knoche. Als "problematisch" bezeichnete Volker Beck die "Differenzen innerhalb der Koalition" in der Menschenrechtspolitik. "Wer keine abgestimmte Menschenrechts- und Außenpolitik hat", warnte der Grünen-Abgeordnete, "hat weder außenpolitisch noch menschenrechtspolitisch im Ausland irgendeinen Einfluss." Trotz kritischer Töne: Der 8. Menschenrechtsbericht wurde schließlich einstimmig angenommen.